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Praxisfälle
Informations-, Beitrags- und Anschlusspflicht bei der beruflichen Vorsorge: BVG-Arbeitgeberpflichten
Der Arbeitsvertrag zwischen Mitarbeitenden und Arbeitgeberin ist die rechtliche Grundlage, damit im Bereich der beruflichen Vorsorge überhaupt eine Vorsorgepflicht der Arbeitgeberin und – sofern die lohnmässige Eintrittsschwelle erreicht wird – eine Versicherungsunterstellung der Mitarbeitenden entsteht. Die Arbeitgeberin, die obligatorisch zu versichernde Mitarbeitende anstellt, muss sich einer registrierten BVG Vorsorgeeinrichtung anschliessen oder selbst eine solche errichten. Bei Neugründungen oder wenn bisher keine obligatorisch zu versichernden Mitarbeitenden beschäftigt worden sind, dann muss die Wahl der Vorsorgeeinrichtung im Einverständnis mit den Mitarbeitenden oder einer allfälligen Arbeitnehmervertretung erfolgen. Die Kontrolle, ob die Arbeitgeberin der Anschlusspflicht nachkommt oder nicht, obliegt der AHV-Ausgleichskasse, und wenn ein Anschluss auch nach entsprechender Aufforderung durch die AHV-Ausgleichskasse ausbleibt, dann erfolgt zwangsweise ein Anschluss an die Stiftung Auffangeinrichtung BVG, die den Anschluss sowie das Inkasso der Beiträge mittels Verfügungen einfordern kann.
Informationspflicht der Arbeitgeberin
Gestützt auf Art. 331 Abs. 4 OR besteht seitens Arbeitgeberin eine aktive Informationspflicht (nicht nur auf Verlangen hin), wonach sie den Mitarbeitenden über die ihnen gegen eine BVG-Vorsorgeeinrichtung zustehenden Forderungsrechte den erforderlichen Aufschluss zu erteilen hat. Diese Informationspflicht betrifft die Arbeitgeberin und nicht die BVG-Vorsorgeeinrichtung, welche ihrerseits die Mitarbeitenden jährlich über die Leistungsansprüche, den koordinierten Lohn, den Beitragssatz und das Altersguthaben sowie weitere Punkte nach Art. 86b BVG informieren muss. Die Information über Leistungsansprüche erfolgt also durch die BVG-Vorsorgeeinrichtung, zumal die Arbeitgeberin über diese Informationen gar nicht verfügt. Gestützt auf die arbeitsrechtliche Informationspflicht muss die Arbeitgeberin zuerst einmal den Mitarbeitenden die Vorsorgereglemente aushändigen (und damit auch mitteilen, bei welcher BVGVorsorgeeinrichtung ein Anschluss besteht) sowie allfällige Neuerungen mitteilen. Weiter hat die Arbeitgeberin die Mitarbeitenden darüber zu informieren, wenn die BVG-Vorsorgeeinrichtung in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder wenn die Arbeitgeberin die Beiträge an die BVG-Vorsorgeeinrichtung nicht mehr bezahlt hat, auch wenn der Zahlungsausstand einer Rettung von Arbeitsplätzen dienen soll. Diese gesetzliche Informationspflicht der Arbeitgeberin betrifft nicht nur den BVG-Vorsorgebereich, sondern auch den Bereich der Unfallund einer allfälligen Krankentaggeldversicherung. Diese Informationspflichten sollten ernst genommen werden, weil überall dort, wo Mitarbeitende innerhalb einer Frist Rechte ausüben müssen (z.B. Übertrittsrecht in Einzelkrankentaggeldversicherung), kann die Arbeitgeberin bei Nichterfüllung der Informationspflicht schadenersatzpflichtig werden.
Lohmeldung und Beitragspflicht
Neben der Anmeldung der Mitarbeitenden sowie der Lohnmeldung zu Beginn des Jahres muss die Arbeitgeberin als Beitragsschuldnerin nach Art. 66 Abs. 4 BVG die gesamten BVG-Beiträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge) bis spätestens zum Ende des erstens Monats nach dem Kalender- oder Versicherungsjahr, für das die Beiträge geschuldet sind, an die BVG-Vorsorgeeinrichtung überweisen. Das Gesetz statuiert hier eine Fälligkeit, bis wann die Beiträge spätestens fällig sind. In der Regel sehen die anschlussvertraglichen Bestimmungen mit der BVG-Vorsorgeeinrichtung frühere Fälligkeiten vor. Für nicht rechtzeitig bezahlte Beiträge kann die BVG-Vorsorgeeinrichtung Verzugszinsen verlangen, deren Höhe vertraglich mit der BVG-Vorsorgeeinrichtung geregelt wird.
Sofern die Arbeitgeberin die Beiträge nicht oder unvollständig leistet, so ist die BVG-Vorsorgeeinrichtung verpflichtet, ihre Forderung auf dem Betreibungs- und allenfalls auf dem Klageweg geltend zu machen. Wenn die Beiträge nicht innert drei Monaten seit dem Fälligkeitstermin bezahlt werden, ist die BVG-Vorsorgeeinrichtung weiter verpflichtet, der Aufsichtsbehörde, ihrer Revisionsstelle sowie den paritätisch besetzten Organen eine Meldung über die Beitragsausstände zu machen, was für die Arbeitgeberin unangenehm sein kann.
Wenn die Arbeitgeberin sich durch unwahre oder unvollständige Angaben oder anderweitig der Beitragspflicht entzieht, so macht sie sich nach Art. 76 BVG strafbar. Diese Strafbarkeit besteht auch, wenn die Arbeitgeberin Beiträge vom Lohn der Mitarbeitenden abzieht und sie dann nicht der BVG-Vorsorgeeinrichtung weiterleitet und damit zweckentfremdet.
Nicht bezahlte Beiträge verjähren nach fünf Jahren. Diese fünfjährige Verjährungsfrist gilt auch, wenn die Arbeitgeberin ihrerseits gegenüber den Mitarbeitenden eine Nachforderung hat, weil sie zu wenig oder keine Beiträge vom Lohn in Abzug gebracht hat. Wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die BVG-Vorsorgeeinrichtung der Arbeitgeberin zu hohe Beiträge in Rechnung gestellt hat, muss die Arbeitgeberin diese zu viel bezahlten Beiträge gemäss den Bestimmungen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern.
Ende des Arbeitsverhältnisses
Das Vorsorgeverhältnis endet nach Art. 10 Abs. 2 lit. b BVG mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses, wobei für die Risiken Tod und Invalidität noch nach Art. 10 Abs. 3 BVG eine Nachdeckung von einem Monat besteht. Normalerweise erfolgt das Ende aufgrund einer ordentlichen Kündigung oder einer Aufhebungsvereinbarung. Das Ende des Arbeitsverhältnisses kann bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung umstritten sein, wenn zum Beispiel strittig ist, ob die Kündigung wegen eines Sperrfristentatbestands nach Art. 336c OR nichtig ist oder nicht. Sobald Mitarbeitende eine Nichtigkeit der Kündigung geltend machen, ergibt es Sinn, den Umstand der BVG-Vorsorgeeinrichtung transparent mitzuteilen und dabei festzuhalten, dass man grundsätzlich das Arbeitsverhältnis als beendet betrachtet, aber allenfalls das Ende im Rahmen des Streitfalls korrigiert werden muss. Unerlässlich ist in solchen Situationen, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nach Wegfall der Sperrfristen von Art. 336c OR vorsorglich nochmals kündigt (wobei an der Rechtsgültigkeit der ersten Kündigung festgehalten wird).
Bei einer fristlosen Kündigung enden das Arbeitsverhältnis und damit auch das Vorsorgeverhältnis per sofort. Fristlose Kündigungen sind mit grosser Vorsicht auszusprechen. Damit eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, muss diese rechtzeitig (innert zwei bis drei Tagen seit Kenntnis des wichtigen Grunds) ausgesprochen werden, und der wichtige Grund mit einer gewissen Schwere muss ausreichend beweisbar sein. Risikoreich wird es, wenn die fristlose Kündigung ungerechtfertigt erfolgte und der Mitarbeitende während der hypothetischen ordentlichen Kündigungsfrist, aber nach der einmonatigen Nachdeckung arbeitsunfähig wird und daraus eine Invalidität resultiert. Weil bei einer ungerechtfertigten fristlosen Kündigung die Arbeitgeberin den Mitarbeitenden finanziell so zu stellen hat, wie wenn das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt worden wäre, dann wäre der Mitarbeitende noch BVG-versichert gewesen und würde eine Invalidenrente erhalten. Die Arbeitgeberin kann in einem solchen Fall mit sehr umfangreichen Schadenersatzforderungen konfrontiert sein.
(Dieser Praxisfall ist in der Ausgabe September 2024 von personalSCHWEIZ erschienen)
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