Praxisfälle

Arbeitsrechtliche Merkpunkte zur verkürzten Arbeitswoche: Nur vier Tage arbeiten

Eine auf vier Tage reduzierte Arbeitswoche tönt verlockend, damit Mitarbeitende mehr Freizeit für sich, für familiäre Aktivitäten oder etwa anderweitige Engagements haben. Falls dadurch die Arbeitszeit aber nicht reduziert, sondern nur verlagert wird, kann eine solche reduzierte Woche aber auch eine Belastung darstellen, weil die Arbeitstage länger und strenger werden.

Von: Stefan Rieder   Teilen  

Dr. Stefan Rieder, LL.M.

Dr. Stefan Rieder, LL.M., Fachanwalt SAV Arbeitsrecht arbeitet als Rechtsanwalt und Notar bei der Kanzlei Schwager Mätzler Schneider in den Bereichen Arbeits-, Sozialversicherungs-, Vertrags- und Gesellschaftsrecht.

Arbeitsrechtliche Merkpunkte zur verkürzten Arbeitswoche

Das Bedürfnis nach neuen oder flexiblen Arbeitszeitmodellen ist bei den Mitarbeitenden gross, und Unternehmen kommen zwecks Steigerung der Arbeitgeberattraktivität nicht darum herum, sich mit diesen Bedürfnissen zu befassen. Eine verkürzte Arbeitswoche – vier Tage arbeiten und drei Tage frei, idealerweise als verlängertes Wochenende – tönt verlockend, vor allem bei gleichbleibendem Lohn. Wenn der Lohn reduziert werden würde, dann handelt es sich um eine Reduktion des Arbeitspensums, was aber nicht die Meinung ist. Bei der 4-Tage-Woche als verkürzte Arbeitswoche wird oft von zwei verschiedenen Modellen gesprochen. Entweder findet eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit statt, z.B. von 42,5 Stunden (fünf Tage à 8,5 Stunden) auf 34 Stunden (vier Tage à 8,5 Stunden), oder aber es findet eine Verlagerung der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von fünf Tagen auf vier Tage statt. Beim Modell mit der verlagerten wöchentlichen Arbeitszeit werden die Arbeitstage plötzlich sehr lang, weil mehr als 10,5 Stunden gearbeitet werden muss. Wenn dann noch ein langer Arbeitsweg dazukommt, dann werden die Tage äusserst lang und streng. Das Modell der blossen Verlagerung der Arbeitszeit kann also schnell zur Belastung anstatt zur Entlastung werden.

Hinter der 4-Tage-Woche steckt der Gedanke, dass die Produktivität bei einer Arbeitsleistung während nur vier Tagen und gleichbleibendem Lohn erhöht werden soll. Hier sollte man sich kritisch fragen, ob das tatsächlich realistisch ist. Beim Modell der reduzierten Arbeitszeit würde das bedeuten, dass Mitarbeitende «unproduktive» (oder wohl eher reduziert produktive) Arbeitszeit auf ein Minimum reduzieren müssten. Beim Modell der verlagerten Arbeitszeit muss man sich die Frage stellen, ob die Produktivität aufgrund der langen Tage nicht eher leidet. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen vielleicht ein drittes Modell als Zwischenmodell in Erwägung ziehen, z.B. Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf 38 Stunden verteilt auf vier Arbeitstage, damit die Arbeitstage nur 9,5 Stunden dauern. Mit Blick auf die Produktivität ist vielleicht auch eine Verlagerung der Arbeitszeit auf 4,5 Arbeitstage anstatt auf vier Arbeitstage sinnvoll.

Grenzen des Arbeitsgesetzes
Das Arbeitsgesetz muss unabhängig von den drei verschiedenen Modellen (Reduktion der Arbeitszeit, blosse Verlagerung der Arbeitszeit oder Zwischenmodell mit beiden Elementen) eingehalten werden. Das Arbeitsgesetz gibt zwei wichtige Grenzen als Leitlinie vor. Einerseits müssen Beginn und Ende der Arbeitsleistung inklusive sämtlicher Pausen innert 14 Stunden liegen (wobei Nachtarbeit nicht zulässig ist). Andererseits dürfen aufgrund der zwingend einzuhaltenden Mindestpausen, die grundsätzlich in der Mitte der Arbeitszeit zu machen sind, maximal 12,5 Stunden pro Tag gearbeitet werden. Diese Grenzen können bei allen drei Modellen eingehalten werden, beim Modell der blossen Verlagerung der Arbeitszeit bleibt jedoch viel weniger Spielraum für das Leisten von Mehrarbeit (Überstunden und Überzeit). Bei schwangeren Mitarbeiterinnen sowie nach der Geburt bei stillenden Müttern ist zudem zu beachten, dass diese pro Tag maximal neun Stunden arbeiten dürfen. Bei längeren Arbeitstagen (Modell der blossen Verlagerung der Arbeitszeit) ist zu beachten, dass die Dauer der zwingenden Mindestpausen gemäss Arbeitsgesetz länger wird. Die Einhaltung des Arbeitsgesetzes muss bei einer verkürzten Arbeitswoche (mit oder ohne Reduktion der Arbeitszeit) eingehalten werden, insbesondere auch bei Homeoffice-Tagen. Wenn die vier Arbeitstage auf zwei Tage im Büro und zwei Tage im Homeoffice aufgeteilt werden, dann darf an den Tagen im Homeoffice nur so lange mehr gearbeitet werden (wenn zum Beispiel die Bürotage wegen des Arbeitswegs kürzer sind), wie das Arbeitsgesetz eingehalten werden kann.

Nebenbeschäftigung
Unabhängig davon, welches Modell der verkürzten Arbeitswoche zum Einsatz kommt, sollte das Thema Nebenbeschäftigung geregelt werden. Die Idee einer 4-Tage-Woche ist nicht, dass sich die Mitarbeitenden für den fünften Tag eine zusätzliche 20%-Anstellung bei einem anderen Unternehmen suchen und dadurch ihr Pensum und ihren Verdienst ausbauen. Entsprechend empfiehlt es sich, dass im Arbeitsvertrag eine Meldeund Genehmigungspflicht für Nebenbeschäftigungen geregelt wird.

Mehrarbeit und Ferien
Sofern die wöchentliche Arbeitszeit nicht nur verlagert, sondern auch reduziert wird, ist die Regelung der Mehrarbeit besonders wichtig. Überall dort, wo die Überstunden mit einer schriftlichen Regelung im Arbeitsvertrag nicht sowieso bereits im Lohn als inbegriffen gelten, sollte ausdrücklich geregelt werden, dass Überstunden im Lohn inbegriffen sind und nicht kompensiert werden können. Das rechtfertigt sich ohne Weiteres, weil die normale wöchentliche Arbeitszeit ja bei gleichbleibendem Lohn reduziert wird. Wenn diesbezüglich nichts schriftlich geregelt wird, dann gilt das Gesetz, und Mehrarbeit kann mit gleicher Dauer kompensiert werden oder ist mit 25% Zuschlag auszubezahlen. Beim Modell mit der blossen Verlagerung der Arbeitszeit muss nichts speziell geregelt werden bzw. die Regeln können wie vorher sein. Ein Einschluss von Mehrarbeit im Lohn ist möglich, drängt sich aber nicht auf, sondern wird abhängig von anderen Faktoren wie Lohn und Hierarchiestufe sein.

In Bezug auf das Thema Mehrarbeit ist weiter zu beachten, dass die Pflicht zur Leistung von Überstunden tangiert wird. Beim Modell der blossen Verlagerung der Arbeitszeit werden die Arbeitstage aufgrund der fehlenden Reduktion der Arbeitszeit länger, was viel eher zu einer Unzumutbarkeit für das Leisten von Überstunden führen kann, zum Beispiel wegen familiärer Pflichten oder wegen der bereits grossen zeitlichen Belastung. Zudem kann nicht erwartet werden, dass am freien Tag ohne Weiteres Überstunden geleistet werden, weil Mitarbeitende dort vielleicht andere Verpflichtungen haben (Kinderbetreuung, Betreuung von anderen Familienangehörigen, Nebenbeschäftigung oder Freiwilligenengagement).

Eine 4-Tage-Woche hat auch einen Einfluss auf die Anzahl Ferientage, weil vier Wochen Ferien dann eben nicht mehr 20, sondern nur 16 Arbeitstagen entsprechen. Zur Vermeidung von Diskussionen sollte das klargestellt werden.

Befristete Einführung
Wenn eine 4-Tage-Woche eingeführt wird, dann sollte sorgfältig geprüft werden, was in Bezug auf bestehende Teilzeitarbeit gelten soll. Teilzeitmitarbeitende sollten selbstredend nicht benachteiligt werden, allerdings gibt es dort vielleicht Gründe, wieso man die vertragliche Arbeitszeit nicht auf weniger Tage verlagern will. Beim Modell einer reduzierten Arbeitszeit sowie beim Mischmodell müsste die Reduktion der Arbeitszeit eigentlich auch bei Teilzeitmitarbeitenden eingeführt werden. Jemand, der bisher 80% arbeitet, sollte also entweder bei gleichbleibender Arbeitszeit mehr Lohn erhalten, oder die Arbeitszeit müsste auch bei einem Teilzeitpensum bei gleichbleibendem Lohn reduziert werden.

Eine 4-Tage-Woche macht vielleicht manch einen Mitarbeitenden motivierter und produktiver, vielleicht stellt sie aber auch eine Belastung dar, wenn es mit der Produktivitätssteigerung nicht, wie erhofft, klappt. Oder aber ein Unternehmen merkt, dass die 4-Tage-Woche aus organisatorischen Gründen (z.B. Erreichbarkeit des Unternehmens, wenn alle Mitarbeitenden am Montag oder Freitag nicht arbeiten) nicht ideal ist. Entsprechend empfiehlt es sich allenfalls, eine verkürzte Arbeitswoche in einer Testphase befristet einzuführen, um Anpassungen vornehmen und das Feedback der Mitarbeitenden berücksichtigen zu können.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe März 2023 von personalSCHWEIZ erschienen.

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