Experten-Interviews

Juli-August 2024

Zukunft des Personalmanagements — wohin geht die Reise?: «HR gehört in den Driver’s Seat»

HR sieht sich immer wieder mit Vorwürfen verschiedener Anspruchsgruppen konfrontiert: Es sei zu behäbig, zu wenig strategisch und wenig innovativ. Aber welchen Wertebeitrag kann und soll ein modernes HR leisten? Diese Frage haben wir Alexander Beck, Geschäftsführer von Beck Human Resources Consulting, gestellt. Im Interview spricht der HR Transformationsspezialist über das HR-eigene Rollenselbstverständnis, unternehmerisches Denken und die Skills, welche Personaler*innen zukünftig benötigen werden.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Zukunft des Personalmanagements — wohin geht die Reise?

Herr Beck, beginnen wir mit einer provokativen Frage: Wie wichtig ist HR fürs Unternehmen auf einer Skala von 1 bis 10?
Natürlich bin ich mit meiner Unternehmens-und HR-Vergangenheit sowie Berufsbiografie etwas befangen. Aufgrund der zunehmenden Dynamik in der Arbeitswelt und den gesellschaftlichen Umwälzungen ist es je nach Unternehmens- resp. Businessmodell auf der Skala eine 8, also sehr wichtig und zentral.

Und inwieweit bekommt HR eine seiner Relevanz angemessene Wertschätzung?
Ich denke, dass es nicht nur eine Frage der Wertschätzung ist, sondern wie sich das HR-Management selbst mit seinem Leistungsausweis und konkreten Mehrwert im Unternehmen positioniert. Oft erlebe ich bei meinen Kunden, dass es ein ständiger Kampf ist, sich bei der Geschäftsleitung und Linie entsprechendes Gehör zu verschaffen. Dabei muss HR in Vorleistung gehen und mit den strategisch relevanten Themen auf Basis von Fakten und Zahlen eine Positionierung erarbeiten. Wenn sich das HR-Management dann noch mit Präsenz als Sparringspartner positioniert, ist die entsprechende Wertschätzung eine Konsequenz. Hier hapert es allerdings in vielen HR-Abteilungen. Die HR-Profis sind für meinen Geschmack zu weit weg vom Business, und die CEOs und CFOs holt man nur mit «weichen Themen» nicht ab.

Wie nehmen Sie generell das «Standing» von HR im Unternehmen wahr?
In meinen Projekten mit HR-Leitenden und Unternehmungen treffe ich sehr unterschiedliche Ausgangslagen an. Von «Mit-Treiber und Gestalter» der Unternehmensentwicklung mit einer breiten Akzeptanz bis zum «Anhängsel» in einer Stabstelle, ohne Wirkung und rein administrativ ausführend. Und wenn ich als Dozent von HR-Weiterbildungen höre, dass HR sich immer beweisen muss, stimmt dies. Doch viele sehen sich eher als vom Unternehmen Getriebene statt als solche, die das Heft selbst in die Hand nehmen und proaktiv die relevanten HR-Themen bestimmen. Das hat etwas mit der fehlenden strategischen Positionierung zu tun.

Welche Ansprüche kann HR erfüllen? Welche soll es erfüllen?
Das HR-Management sollte in erster Linie der Unternehmensentwicklung und damit den Führungskräften auf allen Ebenen als fachlicher und persönlicher Sparringspartner zur Verfügung stehen und auf der anderen Seite die Sichtweise und Bedürfnisse der Mitarbeitenden aufnehmen können. Dazu kommt die Aufgabe auf strategischer und konzeptioneller Ebene, projektbezogene Impulse zu setzen und das Unternehmen zusammen mit den Führungskräften weiterzuentwickeln.

Inwiefern deckt sich das HR-eigene Rollenselbstverständnis mit der Erwartungshaltung von Stakeholdern?
Dies hängt in erster Linie davon ab, ob das HR-Management überhaupt ein Rollenmodell und Verständnis definiert hat. Leider ist dies in vielen Organisationen nicht klar und das HR-Management oft ein Spielball von situativen Anforderungen und damit einem entsprechenden Rollenverständnis, das von Feuer löschen und Problemlöser bis hin zum Unternehmensentwickler für strategische Fragen geht.

Sehen Sie HR häufiger als reinen Dienstleister, oder agiert es auch als Entscheidungsträger?
Bei meinen KMU-Kunden sehe ich nach wie vor ein traditionelles Bild eines HR-Managements, das sich oft in der Dienstleisterrolle positioniert und damit zu stark in eine operative Rolle hineinrutscht. Bei einem klar positionierten HR-Management mit strategischerem Unternehmensbezug erlebe ich das HR-Management immer mehr als Treiber und damit Entscheidungsträger für personalrelevante Entwicklungen. Dazu braucht es jedoch eine klar definierte HR-Strategie mit Handlungsfeldern im Rahmen eines HR-Businessmodells, d.h. wer macht was und in welcher Rolle. Ich finde: HR gehört in den Driver’s Seat. Denn sonst läuft das HR-Management Gefahr, auf das Abstellgleis zu geraten.

Woran «scheitern» die Personaler*innen am häufigsten?
Diese Thematik muss man differenziert betrachten. Da sie sich als Experten positionieren und meistens in einer Querschnittsfunktion im Unternehmen eingebettet sind, fehlt es den Personalern nach wie vor an unternehmerischem Denken und Handeln. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie weit weg sie vom Business resp. einem Businessverständnis sind. Dies führt zwangsläufig zu Positionierungsund Reputationsfragen. Auf der anderen Seite stehen die fehlende strategische Ausrichtung und eine klare HR-Vision – was ist die Daseinsberechtigung des HR-Managements? Ebenso fehlt eine systematische Aufteilung vom «Tagesgeschäft» zur «projektorientierten Arbeit». Dies führt zu Überforderung und Frust, und es kommt zu einer erhöhten Fluktuation.

Muss HR zwingend in der Geschäftsleitung vertreten sein, um seinen Auftrag erfüllen zu können?
Es ist klar, dass, wenn das HR-Management in der Geschäftsleitung Einsitz hat, sich der Einfluss stark erhöht und damit auch eine nachhaltige Unternehmensentwicklung besser unterstützt werden kann. Mehr denn je sind es Personalmanagementthemen wie der Ressourcen- und Fachkräftemangel, die demografische Entwicklung oder die Kulturentwicklung, die Brennpunkte in den Unternehmen darstellen. Daher gehört ein HR-Management zwingend in jede Geschäftsleitung. Studien bestätigen, dass Unternehmen mit einem professionellen auf GL-Ebene positionierten HR-Management erfolgreicher operieren. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die HR-Profis die entsprechenden Kompetenzen mitbringen, um auf dieser Flughöhe zu reüssieren.

Wie stehen Sie zur Aussage «Die Personalarbeit im KMU-Umfeld ist mit derjenigen in Grossunternehmen nicht vergleichbar»?
Dies kann man so nicht verallgemeinern. Im Grundsatz sind KMU Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitenden – gemäss BFS –, welche stark in den Regionen verankert sind und erfolgreich in ihren Märkten und mit ihren Produkten und Dienstleistungen operieren. Die Personalarbeit in diesen Organisationen ist oft operativ und administrativlastig ausgerichtet. Der Reifegrad der HR-Abteilungen in Bezug auf Digitalisierung sowie strategische Ausrichtung ist dort noch stark entwicklungsfähig. Hier findet man auch die klassischen «HR Generalisten-Rollen». In den mittelgrossen und grösseren Unternehmen finden wir HR-Business-Modelle, welche aus Spezialistenfunktionen bestehen und deutlich ausgeprägter strategisch arbeiten und in der Unternehmensentwicklung stärker eingebunden sind.

Müssen Personaler*innen angesichts einer sich wandelnden Arbeitswelt zu Change-Spezialist*innen werden?
Absolut. Transformations- und Changemanagement-Kompetenzen der HR-Profis sind eine «Must-have»-Kompetenz der aktuellen und zukünftigen HR-Abteilungen. Sie sollten diese zusammen mit den Führungskräften als «Change Agents» weiterentwickeln. Nur wer ein Grundverständnis der Entwicklungen von Organisationen, Teams und ihren Mitarbeitenden hat, wird zukunftsfähig bleiben. Dazu braucht es klare Pläne und Vorstellungen und vor allem Antworten auf die Frage, was uns diese Veränderungen einbringen. Die entsprechenden Methodiken und Werkzeuge sind erlernbar.

Viele HR-Organisationen und damit ihre Mitarbeitenden stossen aufgrund der immer komplexeren VUCA-Arbeitswelt sowie den internen Anforderungen der Geschäftsleitungen und Linienvertreter an ihre Leistungsgrenzen, brennen aus und verlassen das Unternehmen. Wie erleben Sie dieses Phänomen?»
Tatsächlich erlebe ich in vielen Organisationen, dass HR-Kollegen in einem Spannungsfeld zwischen Positionierung im Unternehmen, Anerkennung und dem Aufzeigen ihres Mehrwerts stehen. Die Bedeutung von HR-Abteilungen hat im Nachgang der Pandemie deutlich zugelegt und die Bedarfe und Bedürfnisse aller Stakeholder haben stark zugenommen. Dies führte zu Überforderungen einerseits durch mangelnde Ressourcen und andererseits fehlende Kompetenzen bei den HR-Profilen. HR-Mitarbeitende hat dies viel Energie gekostet, und die Nachwehen sind immer noch spürbar. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, müssen klare Themen-Priorisierungen und eine Ressourcenplanung gemacht werden, d.h. Tagesgeschäft vs. Projektarbeit. Zudem hilft es, sich eine gewisse Team- und Persönlichkeitsresilienz anzueignen, und sich Support zu holen, bevor man ausbrennt.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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