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Experten-Interviews
Zukunft des HR-Berufs und HR-Kompetenzen: «Den Umgang mit Unsicherheit erlernen»
Frau Forster-Bernacchia, seit November 2020 sind Sie beim Haushaltgerätehersteller V-ZUG als Chief HR Officer und Mitglied der Geschäftsleitung tätig. Wie gefällt es Ihnen bei Ihrem neuen Arbeitgeber?
V-ZUG ist mir, wie wohl vielen anderen, von Kindesbeinen an als kompetenter und zuverlässiger Partner für Küche und Waschraum bestens vertraut. Umso mehr habe ich mich gefreut, bei diesem traditionsreichen Industrieunternehmen, welches sich mit der inländischen Produktion eindeutig zum Wirtschaftsstandort Schweiz bekennt, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen. Was mir sehr gefällt, ist, wie engagiert alle Kolleginnen und Kollegen täglich für das Unternehmen ihr Bestes geben und wie hoch das Commitment zur Aufgabe, zum Team und zur Firma ist. Als Privatperson ist es mir zudem wichtig, für ein Unternehmen tätig zu sein, welches ästhetische und qualitativ hochstehende Produkte entwickelt und herstellt, dabei gleichzeitig auf Nachhaltigkeit achtet und als verantwortungsvoller Arbeitgeber agiert. Das habe ich bei V-ZUG gefunden.
Sie haben mitten in der Coronakrise Ihre aktuelle Stelle angetreten. Wie haben Sie den Onboarding-Prozess unter Homeoffice-Bedingungen wahrgenommen? Gab es spezielle Herausforderungen?
Corona hat die ersten Wochen sogar eher intensiviert und ein rasches Einleben gefördert. Es galt sowohl im HR als auch als Teil der Corona-Taskforce unter Zeitdruck Entscheide zu treffen oder pragmatische Lösungswege zu finden. So zum Beispiel im Februar, als wir spontan Mitarbeitende des Personalrestaurants aus der Kurzarbeit zurückholten, anlernten und als Produktionsaushilfen einsetzten. Der zusätzliche Kommunikationsbedarf gegenüber den Mitarbeitenden, den einerseits die Pandemie als auch unsere während dieser Zeit neu erarbeitete Vision, Mission und die Werte der Zusammenarbeit mit sich brachten, half mir rasch, viele Kontakte in der Organisation zu knüpfen. Natürlich hätte ich es mir gewünscht, Erstkontakte persönlicher zu gestalten, was in den ersten Monaten stark eingeschränkt war. Mit den bereits gemachten Erfahrungen im Frühjahr und der bestehenden technischen Infrastruktur konnten wir das vorgesehene Onboarding- Programm dennoch in hohem Masse virtuell umsetzen. Einzig meine Besuche in Aussenstellen oder in der Produktion galt es leider auf später zu verschieben, was ich sehr bedauert habe.
Sie sind ausgebildete Juristin. Was hat Sie von der Welt der Paragrafen zu HR gebracht?
In meiner ersten Anstellung nach dem Studium kam ich im Rahmen eines grösseren Transformationsprojekts einer Geschäftseinheit als beratende Juristin mit Personalthemen und Change-Management in Berührung. Dabei erkannte ich erstmals, dass die Definition einer Strategie und ein noch so gut durchdachtes Konzept allein noch lange nicht genügen, um die betroffenen Mitarbeitenden zu Beteiligten zu machen. Ich erlebte, wie schnell ein Projekt bei fehlendem Verständnis der Mitarbeitenden hinsichtlich des «Warum» und am fehlenden Commitment zu scheitern droht. Unternehmensveränderungen durch meinen Beitrag zum Erfolg zu verhelfen, hat mich von da an fasziniert und mich dazu bewogen, eine Funktion innerhalb des HR einnehmen zu wollen. Aus dieser ersten Aufgabe heraus erhielt ich glücklicherweise die Chance, eine erste HR-Gesamtverantwortung für einen Geschäftsbereich zu übernehmen, eine Entscheidung, die ich nie bereut habe.
Corona hat der Digitalisierung in der Arbeitswelt einen kräftigen Schub verliehen. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung aktuell auf das HR?
Covid-19 hat den Digitalisierungsprozess im HR mit Sicherheit beschleunigt. Onlineinterviews, Nachfolgeplanungsmeetings, Mitarbeitenden- oder Führungstrainings mussten von heute auf morgen digital durchgeführt werden. Die Erfahrungen, die dabei gewonnen wurden, sind vorwiegend positiv. Als HR-Abteilung können wir auf diesen Erkenntnissen weiter aufbauen. Dies, indem wir bestehende Abläufe kritisch auf ihre Effizienz und Ressourcennutzung hinterfragen und das Momentum nutzen, um uns verstärkt für eine hybride Arbeitswelt aufzustellen. Unsere Dienstleistungen sollen auf die sich verändernden Kundenbedürfnisse eingehen und dem Anspruch Rechnung tragen, flexibler auf Unvorhergesehenes reagieren zu können.
Der Digitalisierungsprozess wird weiter voranschreiten. Werden wir in 10 Jahren ein komplett digitalisiertes HR erleben, bei dem alle administrativen Prozesse mehr oder weniger automatisiert ablaufen? Welche Aspekte von HR lassen sich nicht digitalisieren?
An eine komplette Digitalisierung glaube ich persönlich nicht und würde eine solche Entwicklung als besorgniserregend einstufen. Ein persönliches Entwicklungsgespräch mit dem Vorgesetzten durch künstliche Intelligenz ersetzen? Ein Kündigungsgespräch durch einen automatisierten Anruf mit gleichzeitiger Zustellung des Kündigungsschreibens? Dies würde meines Erachtens das Vertrauen zur Führung sowie das Commitment und Engagement der Mitarbeitenden, welche wesentliche Faktoren für die intrinsische Motivation darstellen, negativ beeinflussen. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die Auswirkung auf die Arbeitgeberattraktivität. Es gilt seitens HR unter Einbezug von Kunden- und Unternehmensperspektive situativ abzuwägen, welche HR-Prozesse und -Themen dafür geeignet sind und welche nicht.
Welche Kompetenzen sind bei Personaler*innen in 10 Jahren stärker gefragt als heute?
Der Anspruch an analytische Fähigkeiten, ein breites Methodenwissen sowie Grundlagen zu Soziologie und Psychologie in Bezug auf das Individuum und die normativen Rahmenbedingungen werden an Bedeutung hinzugewinnen. Es braucht zudem HR-Fachpersonen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, offen gegenüber Veränderung zu sein, neue Wege zu suchen und ein hohes Mass an Flexibilität mitzubringen.
Welche Skills verlieren zukünftig an Relevanz?
Administratoren oder prozessorientierte «Personaler» werden meiner Auffassung nach zukünftig weniger gefragt sein.
Wird der HR-Beruf noch mehr spezialisiert oder sind HR-Allrounder*innen gefragt?
Dies lässt sich meines Erachtens nicht generalisieren. In Teilbereichen des HR bedarf es spezifischer Kenntnisse und Expertisen, die den HR-Generalisten unterstützen. Dies ist z.B. im Bereich der HR Data Analytics, Compensation & Benefits oder im Gesundheitsmanagement der Fall. Die HR-Generalisten andererseits bedürfen eines breiten Rucksacks, der mit Vorteil neben den bereits erwähnten soziologischen und psychologischen Kenntnissen ein betriebswirtschaftliches Grundwissen beinhaltet.
Ein Flair für Kommunikation ist bereits heute von grossem Vorteil in der Personalarbeit. Wird sich die Vermittlerrolle von HR stärker ausprägen?
Die Kommunikation ist in der Tat ein wesentlicher Bestandteil des Managements der kontinuierlichen Unternehmensveränderung. Die HR-Generalisten schaffen hier einen wertschöpfenden Beitrag, indem sie die interne Kommunikation vorausschauend, einbindend sowie spezifisch auf die Zielgruppe ausgerichtet vorbereiten und mitgestalten. Dies gilt ebenso für die Kommunikation nach aussen, welche für die Wahrnehmung der «Arbeitgebermarke» und damit für das Image als Unternehmen als Ganzes ein wichtiger Faktor darstellt.
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