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Experten-Interviews
Vergütungsmanagement, Lohngerechtigkeit und Benefits: «Die Löhne sind nachvollziehbar»
Herr Wyder, seit einem halben Jahr sind Sie für faire Vergütung bei Coop zuständig. Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten?
Besonders gefällt mir die Unternehmenskultur. Ich habe sie bisher als offen und wenig hierarchisch geprägt erlebt. Jede Meinung wird ernst genommen und diskutiert. Es ist motivierend, wenn man sich einbringen kann. Weiter kommt mir entgegen, dass meine Funktion aufgrund der Grösse von Coop sehr spezialisiert ist. Meine Mitarbeiterin und ich können uns voll auf die Funktionsbewertung und die Lohnstruktur, also die Voraussetzung für Lohngleichheit, konzentrieren. Und ganz persönlich: Ich kann wieder mit dem Velo zur Arbeit fahren, so habe ich jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Bewegung und frische Luft.
Mit welchen (HR-)Herausforderungen sind Sie aktuell konfrontiert?
Das Thema Fair Compensation bewegt. Die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern ist zurzeit sehr präsent, sowohl in den Medien als auch firmenintern. Das Gleichstellungsgesetz, welches eine Lohngleichheitsanalyse für Unternehmungen wie Coop vorschreibt, trägt das Übrige dazu bei. Die Lohngleichheitsanalyse inklusive Zertifizierung wurde zwar noch vor meiner Zeit durchgeführt, bei der Lohngleichheit im Allgemeinen und dem Lohnsystem im Speziellen handelt es sich jedoch um Thematiken, bei denen die Arbeit nie ausgeht. Ich darf diese weiterführen und vervollständigen.
Um die Lohnfrage entflammen immer wieder hitzige Diskussionen. Wie erleben Sie dies in Ihrem Arbeitsalltag?
Der Lohn ist eigentlich immer Thema. Man erhält zwar die interne Aufmerksamkeit, um Projekte voranzutreiben. Gleichzeitig hat alles, was mit dem Lohn zu tun hat, zugleich die Aufmerksamkeit der oberen Führungsebene und natürlich der Finanzabteilung. Das hat Vor- und Nachteile. Persönlich bin ich aber nicht in Lohnverhandlungen involviert, das nimmt mich etwas aus dem Schussfeld.
Was versteht Ihr Arbeitgeber unter fairen Löhnen?
Coop bekennt sich zum Grundsatz: gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Dabei geht es insbesondere um die «Kriterien» Geschlecht und Herkunft. Unsere Lohnpolitik, die Personalentwicklung und das Talent Management sind konsequent auf diesen Grundsatz ausgerichtet. Um die Einhaltung von Lohngerechtigkeit sicherzustellen, haben wir unser Lohngefüge und -system wiederholt nach anerkannten Kriterien der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management- Systeme (SQS) überprüfen lassen.
Was ist für Sie persönlich ein fairer Lohn?
Das ist eine gute Frage. Über dieses Thema könnten wir ein separates Interview führen. Ich glaube, es gibt keinen Lohn, der «fair» ist. Zumindest keinen, den alle als «fair» bezeichnen würden. Das liegt daran, dass es verschiedene Meinungen dazu gibt, was «Fairness» überhaupt bedeutet. Erlauben Sie mir, hier etwas auszuholen.
Wir unterscheiden grob zwischen Verteilungsgerechtigkeit, also «gleicher Lohn für alle», und Leistungsgerechtigkeit, das heisst «jeder verdient so viel, wie er oder sie zum Erfolg der Unternehmung beiträgt». Beide Prinzipien haben Mängel. «Gleicher Lohn für alle» setzt keine Anreize für Leistung. Die Leistungsgerechtigkeit wiederum hat das Problem, dass die Leistung des Einzelnen nur in den seltensten Fällen wirklich messbar ist. Und wenn, dann ist die Messung leicht manipulierbar. Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Und ich bin froh, für einen Arbeitgeber tätig zu sein, bei dem die viel zitierte Lohnschere kleiner ist, als das in anderen Branchen üblich ist. Das bedeutet für mich fair.
In Zeiten des Fachkräftemangels sitzen die Talente am längeren Hebel und können Ansprüche stellen. Wie sollen Unternehmen auf überhöhte Lohnforderungen reagieren?
Dazu muss man als Unternehmung zuerst einmal definieren, was eine überhöhte Lohnforderung ist! Eine Lohnforderung kann im internen Vergleich überhöht sein. Oder sie kann im Vergleich zum marktkonformen Lohn überhöht sein. Oder natürlich beides. Dazu muss man aber Tools haben, um einen Vergleich anstellen zu können. Man braucht eine saubere Funktionsbewertung. Coop ist es grundsätzlich wichtig, dass die Löhne für vergleichbare Funktionen im internen Vergleich ausgewogen sind. Widerspricht eine Forderung diesem Prinzip, nehmen wir mit dieser Person Kontakt auf und suchen gemeinsam nach einer Lösung.
Wie schafft man den Spagat zwischen marktfähiger Vergütung und interner Lohngerechtigkeit?
Sie sagen es richtig, es ist ein Spagat, also schwierig! Ich erachte die interne Lohngerechtigkeit als sehr wichtig. Und Geld allein macht nicht glücklich – zumindest ab einer gewissen Höhe, und die ist tiefer, als man denkt. Wichtiger sind vielen Arbeitnehmenden beispielsweise Wertschätzung und Sinnhaftigkeit oder Entwicklungsmöglichkeiten. Aber man kann sich dem Markt natürlich nicht vollständig entziehen. Jedes Unternehmen muss sich aber die Frage stellen, ob es Mitarbeitende will, die nur des Geldes wegen kommen.
Der Spagat gelingt vielleicht am besten, wenn man ein nachvollziehbares, auf Kriterien basierendes Lohnsystem hat. Dann verstehen die Bewerbenden in aller Regel, dass sie in ein System eingebettet sind, das nicht einfach ausser Kraft gesetzt werden kann.
Coop beschäftigt in der Schweiz über 59 000 Personen. Wie viele davon unterstehen einem GAV?
Dem GAV sind rund 38 000 Personen unterstellt.
Nach welchen Kriterien ist der Lohn bei den anderen Mitarbeitenden geregelt?
Mitarbeitende, die nicht dem GAV unterstehen, haben Einzelarbeitsverträge und sind in unserem Lohnsystem eingebettet.
Abhängig davon, wen man fragt, erfahren Frauen eine Lohndiskriminierung. Mit welchen Mitteln setzen Sie sich bei Coop für die Lohngleichheit ein?
Coop bewertet die Anforderungen an eine Funktion und bestimmt dann ein Lohnband. Ausserdem wird grosser Wert auf interne Lohngerechtigkeit gelegt, und nicht zuletzt haben wir einen GAV, der die Löhne, zumindest die Mindestlöhne und die jährlichen Lohnerhöhungen, festlegt. Coop hat eine Lohnpolitik und ein Lohnsystem, das keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zulässt.
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