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Experten-Interviews
Talentmanagement im Spitalwesen: «Talentmanagement ist bei uns eine Teamaufgabe»
Herr Blasi, gelingt es Ihnen aktuell in Zeiten des Fachkräftemangels, alle Vakanzen im KSA zu besetzen?
Ja, es gelingt uns, unsere offenen Stellen mit einigen Ausnahmen erfolgreich zu besetzen, obschon wir den Fachkräftemangel für gewisse Funktionen spüren. Wir setzen auf innovative Personalgewinnungsstrategien, die beispielsweise auch Social Recruiting, digitale Personalgewinnungskampagnen und die KSA-Sekundenbewerbung vorsehen. Die Besetzungszeit einer offenen Stelle dauert für medizinische Funktionen in der Pflege, im Labor oder im Arztdienst deutlich länger im Vergleich zu den administrativen Berufsgruppen.
Bei der Besetzung von Schlüsselpositionen wird häufig von «Talentmanagement» gesprochen. Was verstehen Sie unter diesem Konzept?
Talentmanagement ist im Vergleich zur Personalgewinnung breiter und sieht auch die interne Personalgewinnung vor. Wir bewirtschaften bei uns im Spital zudem externe Talentpools. Das sind Bewerbende, die sich in der Abschlussphase eines Bewerbungsprozesses für einen anderen Arbeitgeber entschieden haben. Es kann aber auch vorkommen, dass wir uns für eine andere Person im Prozess entschieden haben. Auch diese Kandidaten werden in unseren Talentpools aufgenommen, sofern sie einverstanden sind. Alle Talentpools bei uns im KSA sind strikt datenschutzkonform und setzen voraus, dass wir immer das Einverständnis der Kandidatinnen und Kandidaten im Vorfeld einholen, um die Bewerberdaten zu verwenden.
Talentmanagement ist aber auch Talententwicklung und -erhaltung. In diesen Bereichen haben wir diverse Angebote wie ein Aus- und Weiterbildungsangebot oder ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement, welches für unsere Mitarbeitererhaltung massgebend ist.
In meiner Tätigkeit als Dozent zeige ich in meinen Schulklassen, welche weiteren Möglichkeiten es gibt. Dazu zählen z.B. die Konzeption von internen Talentpools, Nachfolgeplanungen oder Massnahmen und Projekte in der Führungskräfteentwicklung.
Gibt es im KSA spezifisch für das Talentmanagement verantwortliche Personen, oder fällt dies in den Verantwortungsbereich der Linie?
Talentmanagement ist bei uns eine Teamaufgabe. Unser HR arbeitet eng mit unseren Linienvorgesetzten zusammen. Die Führung der Talentpools und die Gesamtverantwortung für die Personalgewinnung sind jedoch zentral bei mir bzw. bei meinem Team.
Fokussieren Sie sich im Talentmanagement auf einzelne Talente mit grossem Potenzial, oder sehen Sie in jedem einzelnen Mitarbeitenden ein «Talent»?
Jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter hat Talent(e). Das gilt auch für Bewerbende, die sich ausserhalb des Spitals bei uns bewerben. Bei der Konzeption von Talentpools ist es entscheidend, festzulegen, welche Kandidatinnen und Kandidaten für welche Funktionen in einem Talentpool aufgenommen werden und ob Entwicklungsschritte für die gewünschte Funktion nötig sind.
Talentpools können auch als Entwicklungspools adaptiert werden. Gute Beispiele dafür sind Führungsfunktionen für Kandidatinnen und Kandidaten ohne Führungserfahrung oder Talentpools in der Bildung. Die Zielfunktionen werden in beiden Fällen erst nach einer bestimmten Zeit oder nach einer bestimmten Entwicklungsphase erreicht.
Den grössten Fokus setzen wir auf unsere Pflege, da sie die grösste Berufsgruppe des Spitals darstellt. Bei den Talentpools ist es wichtig, weitere Kriterien zu definieren, wie die Besetzungsschwierigkeit, die Kommunikation mit den Kandidatinnen und Kandidaten, ihre Präferenzen und vieles mehr.
Wie stark müssen Sie aufgrund des Fachkräftemangels beim Talentmanagement improvisieren und Kompromisse eingehen, um offene Stellen zu besetzen?
Talentmanagement wird bei uns nicht improvisiert, da es ein langfristiger Prozess und zugleich ein Versprechen gegenüber unseren Mitarbeitenden und Kandidatinnen und Kandidaten ist. Es kann vorkommen, dass eine Kandidatin oder ein Kandidat für eine Funktion die Anforderungen noch nicht komplett erfüllt. Solche Fälle gibt es immer wieder auch in klassischen Personalgewinnungsprozessen. Es muss jeweils im Einzelfall entschieden werden, ob die Anforderungslücke für die neue Funktion oder Aufgabe in Kauf genommen oder bis wann sie erworben oder gelernt werden kann. Diese Fragestellungen diskutieren wir gemeinsam mit unseren Linienvorgesetzten.
Wie gehen Sie mit der Diskrepanz zwischen den Erwartungen neuer Mitarbeitender und der tatsächlichen Arbeitsrealität im Spital um?
Für viele Funktionen im Spital gibt es nebst dem Vorstellungsgespräch auch Schnuppertage. Die Arbeitsumgebungen entsprechen dem Berufsalltag. Nur so gelingt es uns, Personal zu gewinnen und langfristig im Spital zu erhalten und als Arbeitgeber authentisch zu sein.
Die Personalgewinnung wird heute mit Werbung und Marketing unterstützt. Eine Rekrutierungskampagne oder ein Stelleninserat ist bedingt informativ. Beide sind werblich und positionieren das Unternehmen als Employer of Choice. Mir ist es wichtig – trotz Personalmarketing –, authentisch zu bleiben und die Realität wiederzugeben.
ZUR PERSON
Fabio Blasi ist 40 Jahre alt und lebt in Zürich. Er ist Leiter Sourcing & Employer Branding bei der KSA-Gruppe seit fast fünf Jahren und nebenberuflich Dozent an zwei Fachhochschulen. Seit vielen Jahren konzipiert er Personalgewinnungsstrategien, gestaltet Arbeitgebermarken und ist Keynote Speaker in der D-A-CH-Region. Fabio Blasi ist ein begeisterter Sportler, verbringt seine Freizeit gerne in der Natur, mit seiner Familie und reist gerne um die Welt.
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