Experten-Interviews

Sonderausgabe Talentmanagement - März 2016

Talentmanagement: Das Wissen im Unternehmen halten

Talentmanagement hat bei AXA Winterthur einen hohen Stellenwert. Wendy Urban, Lead Talent Management, über die Herausforderungen bei der Förderung von Talenten in einem international tätigen Versicherungsunternehmen.

Von: Wolf-Dietrich Zumach   Teilen  

Wolf-Dietrich Zumach

Wolf-Dietrich Zumach ist nach diversen Führungspositionen in Verlagen seit 2004 selbständiger Berater für Medienunternehmen. Als Entwickler und Ideengeber hat er ein starkes Interesse für innovative Querdenker und Businessideen. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Verlags-Know how und hat seit 2007 für WEKA Business Media schon weit über 100 Fachinterviews im Print-, Audio- und Videoformat durchgeführt und produziert.

Talentmanagement

personalSCHWEIZ: Frau Urban, welchen Stellenwert hat das Talent­management in der Unternehmens­strategie der AXA Winterthur?

Wendy Urban: Die AXA Winterthur durchläuft zurzeit eine Transformation hin zu einer agilen Organisation, die wir mittels verschiedener struktureller und kultureller Massnahmen realisieren wol­len. Dazu gehören – wo sinnvoll – der Abbau von Hierarchien, die Stärkung der Spezialistenlaufbahn und damit ein­hergehend ein neues Rollenverständnis von Führungskräften und Spezialisten sowie die weitere Stärkung unserer Un­ternehmenskultur. Bei diesen Massnah­men nimmt HR und im Besonderen das Talentmanagement eine Vorreiterrolle ein: Neue Modelle bzw. Arbeitsformen werden zuerst HR-intern als Pilotprojekt ausprobiert. HR und damit auch das Ta­lentmanagement sind Teil der Geschäfts­leitung und damit in der Unternehmens­strategie vertreten.

Wodurch zeichnet sich Ihr Talentmanagement aus?

Unser Talentmanagement stützt sich auf vier Faktoren: Erstens ist es die Transpa­renz gegenüber unseren Talenten und gegenüber dem Management. Unsere Talente wissen von Anfang an, welche Er­wartungen und Anforderungen an sie ge­stellt werden und welchen Status sie ha­ben werden. Und das Management bzw. der Vorgesetzte hat dank aktueller Kenn­zahlen stets einen Überblick zur Talent­situation im unterstellten Bereich, z.B. zur Talent- oder Geschlechterverteilung oder zum Stand der einzelnen Entwicklungs­pläne. Ein zweiter Erfolgsfaktor ist der starke Praxisbezug: Alle unsere Entwick­lungsangebote sind so konzipiert, dass sie einen grossen Nutzen und Mehrwert für das Unternehmen bringen – es sind also keine künstlichen Assessment-Center. Ein dritter Punkt ist das Commitment unserer Geschäftsleitung. Wir – die Geschäftslei­tung eingeschlossen – verwenden viel Zeit für die Identifizierung unserer Talen­te. Ein letzter Punkt ist unsere Flexibilität. Bei der AXA ist das Talentmanagement nämlich kein pfannenfertiges Programm. Vielmehr besteht es aus einzelnen Bau­steinen, was ein auf das einzelne Talent zugeschnittenes Programm ermöglicht.

«Transparenz ist uns wichtig. Unsere Talente wissen von Anfang an, welche Erwartungen an sie gestellt werden.»

Welche Ziele verfolgt Ihr Talentmanagement?

Ein Ziel unseres Talentmanagements ist es, die Strategie und die Transformation des Unternehmens voranzutreiben, indem Talente als unternehmerisch handelnde Multiplikatoren ihren Stärken und Ent­wicklungszielen entsprechend eingesetzt werden. Ein weiteres Ziel ist die Nachfol­geplanung, also Nachfolger sowohl lokal als auch global für das Unternehmen aufzubauen und das kritische Wissen im Unternehmen zu halten. Wir erreichen diese Ziele mit einem stark institutiona­lisierten Talentmanagement-Prozess, der jedes Jahr neu startet.

Wie läuft dieser Prozess genau ab?

Im ersten Quartal werden die Talente no­miniert, im restlichen Jahr geht es dann um ihre Entwicklung. Nach den Nomina-tionen werden in verschiedenen Gremien in einem Bottom-Up-Prozess verschie­dene Kalibrierungen vorgenommen und eine Auswahl an Talenten getroffen. Im Mai werden dann in einem Geschäftslei­tungsmeeting alle Talente diskutiert. In ei­nem weiteren Schritt informieren wir alle Vorgesetzten und die entsprechenden Ta­lente über die spezifischen Entwicklungs­massnahmen.

«Unser Talentmanagement soll die Transformation hin zu einer agilen Organisation vorantreiben.»

Wie identifizieren Sie potenzielle Talente?

Für den Talentstatus haben wir zwei Kri­terien: die Leistung und das Potenzial. Die Leistung definiert sich aus der Zieler­reichung und dem Verhalten. Diese An­forderungen und Kriterien sind bei uns sehr transparent, die entsprechenden In­formationen sind für alle Mitarbeitenden im Intranet einsehbar. Die Nomination erfolgt entweder über den Vorgesetzten in einem Mitarbeitergespräch oder – und das ist ganz neu bei uns – ein Mitarbeiten­der nominiert sich in Eigeninitiative und in Absprache mit dem Vorgesetzten selbst. Damit wollen wir auch die Eigenverant­wortung der Mitarbeitenden fördern.

Talente können bei Ihnen parallel zu ihren Kernaufgaben bestimmte Son­derprojekte übernehmen. Was ist die Idee dahinter?

Generell haben wir die Auffassung, dass die meiste Entwicklung bei allen Mitarbei­tenden und nicht nur bei den Talenten on the job stattfinden sollte. Das fängt schon bei der Zielsetzung an. Hier ermutigen wir die Mitarbeitenden, eigene Vorschläge zu machen. Nebst der Entwicklung on the job bieten wir viele klassische Entwick­lungsangebote wie 360-Grad-Feedback, Mentoring-Programme und Netzwerkan­lässe. Ein weiterer Teil sind unsere strate­gisch relevanten Sonderprojekte, die ich besonders empfehle, weil sie alle Aspekte des Talentmanagements umfassen: der Mitarbeitende wird gefordert, gefördert und vernetzt. Hier sehe ich auch die gröss­te Effektivität. Die Mitarbeit in Sonderpro­jekten ist bei uns nicht zwingend, aber wenn die Talente dafür bereit sind und die Ressourcen dafür haben, möchten wir das auch fördern. Inhaltlich entstehen diese Sonderprojekte oft aus einem Zu­sammenspiel von Unternehmensbereich und Talentmanagement.

«Wir wollen die Mitarbeitenden nicht ‹binden›, sondern ihnen so attraktive Karrieremöglichkeiten bieten, dass sie freiwillig im Unternehmen bleiben.»

Wo liegen für Sie die grössten Heraus­forderungen im Talentmanagement?

Talentmanagement befindet sich ja gene­rell in einem Spagat zwischen kurzfristi­gen Investitionen in einen Mitarbeitenden und der Frage, was daraus der langfristige Unternehmensnutzen sein wird. Diesen Link aufzuzeigen, sehe ich als die grösste Herausforderung. Hier spielen aber auch unsere Talente selbst eine grosse Rolle, denn sie müssen ja ihren Vorgesetzten erst einmal vom Nutzen einer bestimm­ten Initiative überzeugen. Aber auch wir vom Talentmanagement versuchen na­türlich, die Erfolge und den Mehrwert für das Unternehmen in der Kommunikation oder bei Abschlussanlässen aufzuzeigen.

Wie versuchen Sie, Talente langfris­tig ans Unternehmen zu binden?

Richard Branson, der Gründer von Virgin, hat einmal gesagt: «Train people well, so they can leave. Treat them well enough, so they don’t want to.» Das ist auch un­ser Credo: Wir wollen die Mitarbeitenden nicht «binden», sondern wir wollen ih­nen attraktive Karrieremöglichkeiten und spannende Aufgaben bieten, sodass sie freiwillig im Unternehmen bleiben. Dazu gehört im Sinne der Transparenz auch, dass wir Mitarbeitende informieren, wenn sie als potenzielle Nachfolger gesehen werden. Die Mitarbeitenden wissen also um ihre Perspektiven. Zudem haben wir eigene Anlässe, an denen wir die Pers­pektiven und Entwicklungsmöglichkeiten allen Mitarbeitenden näherbringen. Und unsere Talente erhalten von uns massge­schneiderte Informationen bezüglich of­fener Stellen und möglicher Einsätze im Ausland.

Lesen Sie das komplette Interview in der Februar-Ausgabe von personalSCHWEIZ

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Zur Person

Wendy Urban, lic. phil./Master of Science, ist Psychologin und seit September 2015 Leiterin Talentmanagement bei der AXA Winterthur. Sie arbeitet seit 2009 für die AXA und hat langjährige Erfah­rungen auf dem Gebiet des Talentma­nagements und der Personalentwicklung gesammelt. Die zur AXA-Gruppe gehö­rende AXA Winterthur beschäftigt über 4000 Mitarbeitende und ist der führende Allbranchenversicherer der Schweiz. Das Geschäftsvolumen beträgt über 12 Milli­arden Franken.

www.axa-winterthur.ch

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