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Experten-Interviews
Skill- und Kompetenzmanagement: «Die Wirkung steht im Vordergrund»
Herr Mollet, Sie setzen sich bei Ihrer Arbeit täglich mit Kompetenzen resp. dem Aufbau von diesen auseinander. Ganz grundsätzlich gefragt: Wann ist jemand «kompetent»?
Im modernen Verständnis ist eine Person dann kompetent, wenn sie die beabsichtigte Wirkung erzielt. Im Zentrum steht also die Handlung im Abgleich mit dem gewünschten unternehmerischen oder persönlichen Ergebnis. Das ist auch der elementare Unterschied zur rechtlichen Kompetenz, welche nur allfällige Befugnisse umschreibt. Denn nur weil jemand die (rechtliche) Kompetenz hat, ist er nicht zwingend auch (wirkungs-)kompetent.
Im Zusammenhang mit Kompetenzen fallen oft die Begriffe «Skills» und «Capabilities» resp. «Fähigkeiten». Auf den ersten Blick meinen alle dasselbe, worin liegt der Unterschied?
Sie werden umgangssprachlich tatsächlich oft auch synonym verwendet. Genaugenommen sind Capabilites aber Fähigkeiten und Skills Fertigkeiten. D.h., sie entsprechen den klassischen Fach- und Methodenkompetenzen. Kompetenzen sind hingegen umfassender und beziehen auch weitere Aspekte wie Persönlichkeit, Werte und Normen der Personen mit ein. Also all jene Aspekte, welche die Handlung und die erzielte Wirkung von Mitarbeitenden in Unternehmen beeinflussen.
Für Unternehmen sind Mitarbeitende mit den «richtigen» Kompetenzen entscheidend. Hier kommt das Kompetenzmanagement ins Spiel. Was versteht man darunter?
Eine beabsichtigte Unternehmensstrategie oder ein Leistungsauftrag wird nur dann erfolgreich umgesetzt, wenn Mitarbeitende über die richtigen Kompetenzen verfügen. Da diese Kompetenzen entsprechend für jede Strategie oder jeden Auftrag variieren, sind Kompetenzen in einem Kontext richtig, im anderen Kontext aber nicht passend. Der Linienbusfahrer, der täglich die schnellste, wenn auch andere Route nimmt, ist zwar diesbezüglich kompetent, aber nicht der Richtige. Umgekehrt ist Kompetenzmanagement auch Unternehmensführung. Wenn eine Organisation weiss, über welche Kompetenzen die Mitarbeitenden verfügen, kann das bewusst als Stärke oder Wettbewerbsvorteil genutzt werden. Insofern ist Kompetenzentwicklung auch aktive Unternehmensentwicklung.
Ist Kompetenzmanagement nicht dasselbe wie Talentmanagement?
Nein, auch wenn es natürlich sehr starke Verknüpfungen gibt. Das Kompetenzmanagement ist grundsätzlich für alle Mitarbeitenden relevant, weil es darum geht, die unternehmerische Leistungsfähigkeit jedes Mitarbeitenden sicherzustellen. Das Talentmanagement berücksichtigt auch Kompetenzen, fokussiert aber meist darauf, Potenziale zu erkennen und zukünftige Talente zu entwickeln. Wenn wir aber davon ausgehen, dass das Talentmanagement der Zukunft nicht elitär ist und alle Mitarbeitenden einbezieht, dann nähern sich die beiden Systeme noch näher an.
Beim Kompetenzmanagement spielen Kompetenzmodelle eine wichtige Rolle …
Nicht eine wichtige, sondern die entscheidende Rolle. Das Kompetenzmodell ist der Kompass im Kompetenzmanagement. Er gibt die entscheidende Richtung vor, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Ohne individuelles und auf das Ziel abgestimmtes Kompetenzmodell entwickelt eine Organisation unter Umständen die falschen, nicht benötigte oder sogar hinderliche Kompetenzen bei den Mitarbeitenden.
Empfehlen Sie Unternehmen, eine individuelle Standortbestimmung der Fähigkeiten aller Mitarbeitenden vorzunehmen?
Entscheidend ist, dass Unternehmen wissen, über welche Kompetenzen die Mitarbeitenden verfügen, und zwar latente, potenzielle, persönliche, unternehmerische informelle und formelle Kompetenzen. Mit welcher Methode die Erfassung geschieht, ist jedoch zweitrangig. Gerade im Bereich der künstlichen Intelligenz sind hier zudem spannende Tools am Entstehen, um entsprechende Kompetenzbibliotheken aufzubauen.
Ist die Unternehmensgrösse ausschlaggebend dafür, ob ein Kompetenzmanagement sinnvoll ist?
Nein, im Gegenteil, gerade bei kleineren Unternehmen ist es sogar noch wichtiger, zu wissen, welche Kompetenzen bei wem vorhanden oder nicht vorhanden sind. Der Unterschied liegt oftmals nur darin, dass dieses Wissen in kleineren Unternehmen transparenter ist.
«Entscheidend ist, dass Unternehmen wissen, über welche Kompetenzen die Mitarbeitenden verfügen.»
Hard Skills vs. Soft Skills – was ist wichtiger?
Gegenfrage: Was ist ein Hard Skill und was ein Soft Skill? Solange wir das nicht definieren, können wir das weder global noch als Unternehmen beantworten. Kommunikation ist normalerweise ein typischer Soft Skill. Doch in der Marketingabteilung wird er zum Hard Skill, weil Kommunikationsmethodik eine Voraussetzung ist. Ist Zeit- oder Projektmanagement nun Hard oder Soft Skill? Der Kontext und die Situation sind relevant. Schlussendlich geht es um die Wirkung, und die setzt je nach Funktion, Rolle oder Unternehmen einen bestimmten Mix aus Hard und Soft Skills voraus. Der richtige Mix ist entscheidend.
Up- und Reskilling werden im Zusammenhang mit Kompetenzen oft genannt. Was ist damit gemeint?
Up-Skilling ist eine Kompetenzerweiterung innerhalb der Funktion. Dabei bleibt die Aufgabe im Kern identisch, benötigt aber neue, teils anspruchsvollere Fertigkeiten. Ein klassisches Beispiel ist der Mechatroniker, welcher aufgrund der Digitalisierung der Autos den klassischen Mechaniker ablöst. Das Up-Skilling liegt also vor allem im Interesse der Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Re-Skilling ist eine Kompetenzerweiterung in ein neues Tätigkeitsgebiet. Dies meist, weil die Funktionen oder grosse Teile, z.B. durch Automatisierung, Digitalisierung oder künstliche Intelligenz, obsolet werden. Beispiele hierfür gibt es vor allem in der Industrie (Lagerarbeiten, Fertigungsarbeiten, Textilarbeitende), aber auch Dienstleistungsberufe sind zunehmende gefährdet (Zugbegleiter, Busfahrer, Bankangestellte). Hier sind Unternehmen und Mitarbeitende gleichermassen gefordert, Lösungen zu finden. Ich möchte aber noch einen dritten Begriff einbringen: New Skilling. Der Fokus liegt dabei auf neuen Fähigkeiten, welche unabhängig von Funktionen in der Zukunft wichtig sind, sogenannte transversale oder Meta-Kompetenzen.
Welche Rolle spielen denn Meta-Kompetenzen und Kernkompetenzen?
Eine entscheidende, denn diese Meta-Kompetenzen sind für die Entwicklung eines ganzen Wirtschaftsstandorts oder eines Landes zentral, und entsprechend sind Bildungssysteme und die Gesellschaft gleichermassen gefordert. Klassische Beispiele hierfür sind z.B. die 4K: Kommunikation, Kreativität, Kollaboration oder kritisches Denken. Kernkompetenzen sind hingegen – angelehnt an die Betriebsökonomie – Kompetenzen, die schwer erlernbar, nicht kopierbar und nicht substituierbar sind. Dadurch entstehen wirkliche Wettbewerbsvorteile von Personen oder Organisationen. Kernkompetenzen entstehen meist, wenn zwei Kompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen sich ergänzen oder eine Person zwei unterschiedliche Themengebiete beherrscht. Wie z.B. bei Apple Technologie- und Marketingkompetenz zusammenkommen oder wenn ein Jurist noch Psychologie studiert hat.
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