Experten-Interviews

Ausgabe Dezember/Januar 08/2013

Kündigungsschutz: Der Missbrauchsschutz ist eine relativ stumpfe Waffe

Das Thema Kündigung ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht ein Dauerbrenner. Martin Farner, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht, erläutert die Rechtspraxis im Umgang mit Kündigungsfristen, Sperrfristen, Änderungskündigungen und Aufhebungsvertrag.

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Kündigungsschutz

Martin Farner, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

personalSCHWEIZ: Herr Farner, welche grundlegenden Dinge sollten Arbeitgeber bei einer Kündigung beachten?
Martin Farner: Ganz am Anfang steht natürlich die Dokumentation einer Kündigung. Sie können ein Arbeitsverhältnis zwar mündlich beenden, aber es lohnt sich, dies schriftlich zu tun. Zweitens sollte man auch auf die rechtzeitige Zustellung der Kündigung vor Beginn der Kündigungsfrist achten.

Welchen Spielraum haben Arbeitgeber, was die Kündigungsfristen betrifft?
Der Gesetzgeber ist im Jahr 1971 – dem Geburtsjahr unseres Arbeitsvertragsrechts – davon ausgegangen, dass Arbeitnehmende im Monatslohn tätig sind und dass Arbeitsverhältnisse per Monatsende enden, was ja auch in heutigen Arbeitsverhältnissen meist der Fall ist. Das ist aber nicht unbedingt zwingend. Man könnte Kündigungsfristen auch auf einen beliebigen Tag im Monat enden lassen, was aber eher selten getan wird. Der Begriff des Monats entspricht im Arbeitsvertragsrecht in der Regel dem Kalendermonat und ist deshalb keine Grösse von fixer Länge: im Februar ist der Monat 28 Tage lang, im April 30 Tage und im Mai 31 Tage. Auch dies kann man zwar ändern, muss es aber schriftlich tun. Die minimale Kündigungsfrist beträgt einen Monat. Wenn man als Arbeitgeber eine möglichst kurze Kündigungsfrist anstrebt, dann kann man z.B. ausgehend von einer Kündigung am 15. März eine Kündigungsfrist auf den 15. April setzen. Wenn man etwas weniger weit geht – und das ist der Normalfall –, würde in unserem Beispiel das Arbeitsverhältnis per Ende April enden.

Häufig wird eine Kündigung per Post zugestellt. Welche Schwierigkeiten stellen sich hier?
Zunächst einmal muss der Arbeitgeber die Zustellung beweisen können. Das bedeutet, dass die Kündigung per Einschreiben zugestellt werden muss. Die zweite Frage ist: Wann gilt eine Sendung als zugestellt? Hier stehen verschiedene Varianten zur Auswahl. Die erste Variante ist, dass eine Sendung dann als zugestellt gilt, wenn die Abholungseinladung der Post im Briefkasten des Empfängers liegt. Variante zwei: Die Sendung gilt dann als zugestellt, wenn man sie zum ersten Mal an der Post abholen könnte, in der Regel also einen Werktag nach Hinterlegung der Abholungseinladung im Briefkasten. Als Variante drei könnte man auch noch darauf abstellen, wann die Sendung effektiv bei der Post abgeholt worden ist.

Und welche dieser drei Varianten kommt in der Praxis zur Anwendung?
Das hängt davon ab, wann man davon ausgehen kann, dass die Kündigungserklärung «in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist». Würde man dieses Prinzip konsequent umsetzen, müsste eigentlich Variante drei – die effektive Abholung bei der Post – massgeblich sein. Die Rechtsprechung folgt dieser These jedoch nicht, denn es wäre damit ja dem Zufall überlassen, wann der Empfänger der Kündigung gerade Zeit findet, die Sendung abzuholen, und von solchen Zufälligkeiten kann man die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung nicht abhängig machen. Anders ausgedrückt: Der Absender einer Kündigung muss kalkulieren können, ob die Sendung, die er am Tag X zur Post gibt, noch vor Beginn der Kündigungsfrist eintreffen wird. Daher ist die Praxis heute so, dass die Kündigung am ersten Tag, an dem die Sendung bei der Post abgeholt werden kann, als zugestellt gilt. Damit weiss ich als Kündigender, dass eine Kündigung, die am 25. zur Post gegeben wurde, am 27. als zugestellt gilt, sofern dieser Tag ein Werktag ist. Dies gilt auch dann, wenn der Empfänger die Sendung überhaupt nicht abholt.

Gelten diese Grundsätze auch, wenn der Arbeitnehmende in den Ferien ist?
Nein. Ein Arbeitgeber, der weiss, dass ein Arbeitnehmender, dem er kündigen will, in den Ferien ist, kann nicht auf den Regelfall zurückgreifen. In diesem Fall gilt der Tag der effektiven Abholung bei der Post. Hier trägt der Arbeitgeber das Risiko der Zustellung, denn es könnte ja auch sein, dass der Arbeitnehmende so lange in den Ferien ist, dass die sieben Tage Lagerfrist bei der Post ablaufen, bevor er wieder aus den Ferien zurück ist. Dann ist die Kündigung gescheitert.

«Eigentlich sollte Missbrauch keinen Rechtsschutz finden und das ist im Schweizer Recht auch so – ausser bei Kündigungen, die missbräuchlich sind. Missbräuchliche Kündigungen sind paradoxerweise wirksam.»

Missbräuchliche Kündigungen sind rechtswirksam. Ist das nicht ein Widerspruch?
Eigentlich sollte Missbrauch keinen Rechtsschutz finden und das ist im Schweizer Recht auch so – ausser bei Kündigungen, die missbräuchlich sind. Missbräuchliche Kündigungen sind paradoxerweise wirksam und beenden das Arbeitsverhältnis auf den Termin, auf den gekündigt wird. Das ist tatsächlich eine etwas merkwürdige Art, die Dinge zu sehen. Man muss dazu aber wissen, dass das Parlament, als es in den späten 80er-Jahren die Kündigungsschutznovelle behandelte, keine Stärkung des Kündigungsschutzes beabsichtigte, obwohl missbräuchliche Kündigungen auf einem verpönten Motiv beruhen.

Welche Fälle von missbräuchlichen Kündigungen sind in der Praxis verbreitet?
Art. 336 OR enthält einen Katalog mit allen Fällen von missbräuchlichen Kündigungen. Eine Kündigung ist zum Beispiel missbräuchlich, wenn sie wegen persönlicher Eigenschaften wie Religionszugehörigkeit oder politischer Ansichten erfolgt. Oder, wenn ein Arbeitnehmender seine verfassungsmässigen Rechte wahrnimmt. In diese Kategorie gehört der Fall, dass eine Kündigung ausgesprochen wird, weil eine Mitarbeiterin mit dem Geschäftsführer der Konkurrenz liiert ist, sie also dadurch in ihrer freien Partnerwahl eingeschränkt wird. Der häufigste Fall der missbräuchlichen Kündigung ist aber die sogenannte Retorsionskündigung als Reaktion auf die Inanspruchnahme eines Rechts durch einen Arbeitnehmenden. Wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmender sagt, er hätte noch Überstunden zugut, und das Unternehmen zähneknirschend diese Überstunden vergütet, dann aber gleichzeitig kündigt. Ein anderes Beispiel: Man macht einem Bankmitarbeiteden den Vorwurf, er habe das Bankgeheimnis verletzt. Der Mitarbeitende besteht darauf, dass dieser Vorwurf geklärt werde. Die Bank untersucht das aber gar nicht, sondern kündigt einfach. Anders gesagt: Einem Mitarbeitenden, der eine Klärung eines Problems verlangt, kann man nicht einfach kündigen, sondern man muss sich als Arbeitgeber dieser Klärung stellen. Darüber hinaus gibt es auch noch die Fälle diskriminierender Kündigungen, wenn zum Beispiel eine Frau wegen ihres Frauseins entlassen wird.

In allen genannten Beispielen ist die Kündigung also wirksam, obwohl sie missbräuchlich bzw. diskriminierend ist?
Ja. Erstens ist die Kündigung wirksam und zweitens könnte ein Arbeitgeber – selbst wenn ein Missbrauch vorliegt – immer noch den Nachweis erbringen, dass betriebliche Umstände die Kündigung nötig machen. Es gibt immer den Betriebsklimavorbehalt, den das Parlament damals in die Gesetzesnovelle eingebaut hat. Insgesamt gesehen machen alle diese Umstände den Missbrauchsschutz zu einer relativ stumpfen Waffe. Hinzu kommen zudem auch prozessuale Hindernisse: Beispielsweise muss man als betroffener Arbeitnehmender eine schriftliche Einsprache erhoben und innerhalb von 180 Tagen eine Klage eingereicht haben, sonst kann man keine Missbrauchsentschädigung verlangen. Der Missbrauchsschutz ist also kein Kündigungsschutz im eigentlichen Sinne, denn die Kündigung bleibt ja bestehen. Im Vergleich zu einer normalen Kündigung sind nur die ökonomischen Folgen einer missbräuchlichen Kündigung etwas schärfer.

In der Schweiz gibt es einen besonderen Kündigungsschutz in Form der sogenannten Sperrfristen. Was ist deren Sinn und Zweck?
Die Sperrfristen sind eine Erbe des Ersten Weltkriegs. Man hatte damals gesehen, dass es Arbeitgeber gab, die Arbeitnehmende entliessen, weil diese in den Militärdienst einrücken mussten. Das empfand man als ungerecht und hat dann wegen Militärdienst und Krankheit Sperrfristen – damals aber relativ kurze – eingeführt. Die Sperrfristen, die ursprünglich im Fabrikgesetz geregelt waren, sind 1971 in das Arbeitsrecht überführt worden. In der Kündigungsschutznovelle von 1989 sind sie dann auch erheblich verlängert worden. Im Gegensatz zur Missbrauchsgesetzgebung sind die Sperrfristenregelungen ein echter Kündigungsschutz. Wenn jemand krank wird oder einen Militärdienst von mindestens 12 Tagen absolviert, kann ihm während dieser Sperrfristen nicht gekündigt werden. Eine ordentliche Kündigung, die während einer solchen Sperrfrist erklärt wird, ist unwirksam und fällt ersatzlos weg.

Welche Probleme treten in der Praxis bei den einzelnen Sperrfristentatbeständen auf?
Bei Krankheit und Unfall haben wir Sperrfristen von 30, 90 oder 180 Tagen, je nach Länge der Betriebszugehörigkeit. Bei der Schwangerschaft haben wir hingegen eine Sperrfrist ab Empfängnis bis 16 Wochen nach der Geburt. Das ist eine Frist, die über ein Jahr lang ist und einen sehr langen Sperrfristenschutz für schwangere Frauen bewirkt. Das kann für kleinere Unternehmen zum Problem werden. Jeder Sperrfristentatbestand wie Krankheit oder Unfall löst eine neue Sperrfrist aus. Das heisst, wenn man während einer Krankheit einen Unfall erlitten hat, wird eine neue Sperrfrist ausgelöst, die eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bewirkt. So kann es unter Umständen relativ lange dauern, bis man kündigen kann. Die Zeit der Krankheit wird an die Kündigungsfrist angehängt und – weil Arbeitsverhältnisse zum Monatsende hin enden sollen – bis zum nächsten Monatsende verlängert. Eine Krankheit von zum Beispiel fünf Tagen bringt damit einem Arbeitnehmenden einen ganzen Monat mehr Lohn, aber natürlich auch – sofern dieser Arbeitnehmende nicht freigestellt ist – einen ganzen Monat mehr Arbeitspflicht. Wenn ein Arbeitgeber in seinen Verträgen die Kündigungsfrist so geregelt hat, dass diese an einem beliebigen Tag im Monat enden kann, so gilt diese Verlängerung auf das Monatsende selbstverständlich nicht. Zu beachten ist auch, dass eine fristlose Entlassung während einer Sperrfrist gültig ist, also das Arbeitsverhältnis sofort beendet, unabhängig davon, ob ein Entlassungsgrund besteht oder nicht.

Unternehmen reagieren auf veränderte Marktbedingungen häufig mit Entlassungen oder Änderungskündigungen. In welchen Fällen ist dies erlaubt?
Zunächst möchte ich klarstellen, dass eine normale Entlassung in der Regel keine grossen Probleme mit sich bringt. Das ist bei einer Änderungskündigung ganz anders. Denn eine Änderungskündigung zielt nicht darauf, einen Mitarbeitenden aus dem Unternehmen zu entfernen, sondern darauf, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung – also Arbeit gegen Lohn – zu verändern. Hier gilt eine völlige Umkehr der Optik im Vergleich mit der normalen Kündigung. Normalerweise braucht es in der Schweiz keinen zureichenden Grund für eine Kündigung. Im Gegensatz zu Deutschland ist auch eine grundlose Kündigung gültig. Wenn aber ein Arbeitgeber das Ziel verfolgt, die gegenseitigen Rechte und Pflichten zu verändern, dann ist das grundsätzlich für den Arbeitnehmenden eine Drucksituation. Diese Drucksituation darf man insoweit kreieren, als das Unternehmen dieser Drucksituation selbst ausgesetzt ist, etwa durch eine veränderte Marktlage, wie das im Jahr 2011 durch den veränderten Euro-Franken-Wechselkurs bedingt war. Hier darf ein Unternehmen diesen Druck des Marktes durch Änderungskündigungen weitergeben, aber nicht mehr. Man darf diesen Marktdruck also nicht verwenden, um noch einen weiteren Nachteil für die Mitarbeitenden daraufzupacken. Das ist die erste Beschränkung für eine Änderungskündigung: Es braucht hierfür einen sachlichen Anlass. Zweitens muss eine Änderungskündigung die Kündigungsfrist respektieren. Es gibt immer wieder Arbeitgeber, die Änderungskündigungen sofort umsetzen wollen, indem sie beispielsweise sagen, dass ab nächsten Monat 200 Franken weniger Monatslohn gezahlt werden. Das ist nicht erlaubt. Zudem muss man sich im Klaren sein, dass ein Mitarbeitender, der sich mit einer Änderungskündigung konfrontiert sieht, eine einigermassen vernünftige Überlegungsfrist für seine Entscheidung braucht. Man kann davon ausgehen, dass dies mindestens mehrere Tage sein müssen. Änderungskündigungen, die diese Regeln nicht beachten, werden als missbräuchlich angesehen. Das heisst wiederum, dass die Änderungskündigung in ihrem Bestand zwar nicht angegriffen wird, aber der Arbeitgeber eine Entschädigung zahlen muss.

Eine besondere Form der ordentlichen Kündigung ist die Massenentlassung. Welche rechtlichen Grundlagen hat diese?
Die Massenentlassung ist im schweizerischen Recht relativ neu. Als man 1993 die Verträge mit der EU schloss, wurde damit auch die sogenannte Massenentlassungsrichtlinie der EU übernommen. In der Schweiz ist dies vielen Unternehmen jedoch nicht bekannt.

Auf welche Punkte müssen Unternehmen bei einer Massenentlassung achten?
Die Massenentlassung charakterisiert sich als ein Verfahren, das aus folgenden Phasen besteht: Zunächst muss man die Belegschaft schriftlich darüber orientieren, dass Kündigungen geplant sind, wobei man den Grund für die Kündigungen angeben und mitteilen muss, wie viele Mitarbeitende davon betroffen sind. Nach der Mitteilung dieser Informationen haben die Mitarbeitenden das Recht, Vorschläge zu machen, wie die Entlassungen zu verhindern wären. Danach muss das Unternehmen diese Vorschläge prüfen, ist aber nicht verpflichtet, ihnen zu folgen. Danach können schliesslich die Entlassungen erfolgen, wobei die Unternehmen dazu verpflichtet sind, das Arbeitsamt über die Massenentlassung zu informieren.

Wo liegen die Risiken bei einer Massenentlassung?
Im beschriebenen Verfahren gibt es zwei Klippen, die man unbedingt beachten sollte. Der erste häufige Fehler ist, dass die Belegschaft nicht konsultiert wird. Ist dies der Fall, werden die Kündigungen, die im Zuge des Massenentlassungsverfahrens ausgesprochen wurden, als missbräuchlich angesehen und es müssen Entschädigungen gezahlt werden. Wenn dies eine grosse Anzahl von Mitarbeitenden betrifft, kann das ins Geld gehen. Der zweite Fehler ist, dass man die Mitteilung an das kantonale Arbeitsamt vergisst, nachdem man die Kündigungen ausgesprochen hat. Versäumt man dies, kann keine Kündigungsfrist laufen. Dies hat unter Umständen zur Folge, dass die Arbeitsverhältnisse weiterlaufen, bis die gekündigten Mitarbeitenden eine neue Stelle gefunden haben.

In der Praxis hört man immer wieder, dass bei einer fristlosen Kündigung vorgängig immer eine Verwarnung ausgesprochen worden sein müsse, damit diese gültig sei. Ist das richtig?
Hart ausgedrückt – nein. Man muss sich hier aber Folgendes klarmachen: Im Gegensatz zur Kündigung, die keinen sachlichen Grund braucht, braucht es bei der fristlosen Entlassung sehr wohl einen Entlassungsgrund. Als Entlassungsgründe gelten in der Regel nur besonders gravierende Verstösse gegen die Treuepflicht oder andere Arbeitnehmerpflichten, wie der Griff in die Kasse oder Schlägereien mit anderen Mitarbeitenden. Nun gibt es aber eine Reihe von Gründen, die nicht wirklich als Entlassungsgrund gelten können, die aber doch relativ ärgerlich sind. Also beispielswiese, wenn eine Verkäuferin in einem Laden nicht pünktlich zu den Öffnungszeiten des Ladens anwesend ist. Dies ist zwar sehr ärgerlich, aber für sich betrachtet kein Entlassungsgrund. In diesem Fall kann ein Arbeitgeber einen solchen Grund zum Entlassungsgrund machen, indem er ihn mit Verwarnung quasi eine Stufe anhebt. Man teilt also der Verkäuferin mit Verwarnung mit, dass das Zuspätkommen, das übrigens mehrfach vorgefallen sein muss, nicht mehr toleriert wird und dass beim nächsten Zuspätkommen die fristlose Entlassung ausgesprochen werden wird. Das ist die Funktion der Verwarnung: der Transfer eines Grundes, der zur Entlassung nicht taugt, zum Entlassungsgrund. Das bedeutet erstens, dass man in der Verwarnung die fristlose Entlassung tatsächlich androhen muss. Und zweitens, dass man das nicht mit jedem beliebigen Grund machen kann. Wenn jemand hin und wieder zu spät kommt und Öffnungszeiten keine Rolle spielen oder wenn sonstige Unkorrektheiten, die nicht so wichtig sind, vorgefallen sind, kann man diese Gründe nicht mit einer Verwarnung zum Entlassungsgrund machen. Sonst würde der Entlassungsgrund nicht mehr eine Notbremse sein, sondern zu einer Schikane werden.

Um ein Arbeitsverhältnis zu beenden, gibt es als Alternative zur Kündigung auch den Aufhebungsvertrag. Wann ist dieses Mittel zulässig?
Wir haben ja gesehen dass eine Kündigung das Risiko eines Sperrfristentatbestandes in sich trägt und damit das Arbeitsverhältnis verlängern kann. Da kann es dann durchaus sinnvoll sein, dieses Risiko zum Verschwinden zu bringen. Dies kann man mit einem Aufhebungsvertrag tun. Der Aufhebungsvertrag beendet – im Gegensatz zu einer Kündigung – das Arbeitsverhältnis nach seinen eigenen Regeln. Theoretisch könnte man die Kündigungsfrist damit verkürzen oder auch verlängern, was manchmal aus sozialen Gründen getan wird. Das Problem beim Auflösungsvertrag ist aber folgendes: Wenn man mit einem Aufhebungsvertrag einem Mitarbeitenden nur das gewährt, was ihm auch bei einer ordentlichen Kündigung zustehen würde, und dieser dann krank werden würde, könnte man das auch als eine Umgehung der Sperrfristenregelung interpretieren und das könnte dann diesen Aufhebungsvertrag zum Wegfall bringen. Ein Aufhebungsvertrag ist grundsätzlich etwas völlig Zulässiges, wird aber dann zu einem Problem, wenn man versucht, damit zwingende arbeitsrechtliche Ansprüche auszuhebeln. Man kann einen zulässigen Aufhebungsvertrag wie eine Versicherungsprämie betrachten: Man zahlt etwas mehr, als man bei einer Kündigung zahlen müsste, und hat damit das Risiko einer möglichen kurzen Krankheit eliminiert. Noch ein weiterer Punkt muss hier beachtet werden: Es gibt Arbeitsverhältnisse mit Konkurrenzverboten. Hier kann es einen Unterschied machen, ob man das Arbeitsverhältnis per Aufhebungsvertrag oder mit Arbeitgeberkündigung beendet. Bei einer Arbeitgeberkündigung fällt das Konkurrenzverbot von Gesetzes wegen weg, beim Aufhebungsvertrag nicht ohne Weiteres.

Zur Person

Martin Farner war bis 2005 Bezirksrichter am Bezirksgericht Zürich und fast 20 Jahre als Vorsitzender Richter der 4. Abteilung des Arbeitsgerichts Zürich tätig. Er kann daher auf eine sehr grosse Erfahrung im Arbeitsrecht zurückblicken. Seit 2006 ist er Rechtsanwalt in Zürich und seit 2011 Fachanwalt SAV Arbeitsrecht. Seine Schwerpunkte sind das private Arbeitsrecht, öffentliches Personalrecht und das Zivilprozessrecht. Er ist ausserdem im Bereich Arbeitsrecht ein gefragter Referent für Seminare und Kongresse.
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