Experten-Interviews

Ausgabe April 02/2016

HR-Software: HR ist die Visitenkarte der Firma

Das Beratungsunternehmen HR Campus beschäftigt sich seit fast 20 Jahren mit Software im Personalbereich. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Marek Dutkiewicz über die wachsende Bedeutung von digitalen HR-Prozessen.

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Ralph Hofbauer

Ralph Hofbauer war Chefredaktor des HR-Magazins personalSCHWEIZ.

 

HR-Software

personalSCHWEIZ: Herr Dutkiewicz, wann haben Sie sich erstmals mit Software beschäftigt und was war damals der State of the Art?

Marek Dutkiewicz: Ich komme ur­sprünglich aus der Automobilbranche. Damals, in den frühen 80er-Jahren, ha­ben wir noch mit Lochkarten gearbeitet. Die Karten sind manchmal runtergefallen und dann mussten wir sie einsammeln und wieder in die richtige Reihenfolge bringen. Wie Sie sich vorstellen können, war das bei Hunderten von Karten eine ziemlich mühsame Angelegenheit.

Sie kamen damals aus dem sozialistischen Polen in die Schweiz. War das für Sie ein Kulturschock?

Die vollen Regale bei Coop und Migros waren schon ein Kulturschock, da das Angebot in den polnischen Läden sehr bescheiden war. Ich musste erst einmal lernen, in der Schweiz zu überleben, und habe unter anderem als Tankwart gearbei­tet. Bald konnte ich aber in der IT-Branche Fuss fassen und bin heute sehr stolz, in der Schweiz meinen Weg gemacht zu haben. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingsthe­matik muss ich zurzeit als Musterbeispiel für eine gelungene Integration herhalten.

Ende der 90er-Jahre haben Sie dann HR Campus gegründet. Wie weit war HR-Software zu dieser Zeit?

Damals gab es lediglich Lohnsoftware, Bereiche wie die Pensionskasse oder die Zeitwirtschaft sind erst einige Jahre später dazugekommen. Zu dieser Zeit hat Stan­dardsoftware allmählich die Individual­programmierung abgelöst. Dadurch hat sich die Entwicklung enorm beschleunigt.

Wie hat sich der Markt für HR-Software seither entwickelt?

In den frühen 00er-Jahren hat HR an Bedeutung gewonnen. Damals hiess es überall: «Unsere Mitarbeitenden sind die wichtigste Ressource.» Dadurch wuchs auch das Bedürfnis, Software in Bereichen wie Talentmanagement, Arbeitszeugnis-oder Dokumentenerstellung einzusetzen. Die Cloud-Technologie hat der HR-Soft­ware dann einen weiteren Schub verlie­hen. Die Transformation von Software On-Premise, also einer Software, die man auf den eigenen Servern installiert, hin zu Cloud-Lösungen, bei denen Installa­tion und Wartung überflüssig sind, war eine kleine Revolution. Wir haben diesen Wandel zum Glück früh erkannt und bald schon voll auf die Cloud gesetzt.

«Durch die Automatisierung der administrativen Prozesse bleibt mehr Zeit für die Kommunikation.»

Ist HR-Software dadurch auch für kleinere Unternehmen erschwinglich geworden?

Ja, jedes KMU kann sich heute prob­lemlos moderne HR-Software leisten. Eine Cloud-Lösung kann sich bereits ab 15 Mitarbeitenden lohnen. 90 Prozent unserer KMU-Kunden wollen keine Soft­ware und keine Hardware kaufen. Nicht nur die Kosten sprechen für die Cloud, auch die Aktualität: Wenn Sie eine Cloud einsetzen, bleiben Sie dank der regelmäs­sigen Updates immer auf dem neusten Stand. Bei Software On-Premise dauert es oft Jahre, bis ein Update alle User erreicht hat. Zudem wird die Technologie durch die Cloud mobil – ein weiterer Vorteil.

Wie weit ist die Digitalisierung der HR-Prozesse mittlerweile fortgeschritten?

Es gibt heute in der HR-Administration eigentlich keinen Prozess mehr, der sich nicht digitalisieren liesse. Die Palette reicht von Recruiting und Onboarding über Saläradministration und Spesenab­wicklung bis hin zu Zeugniserstellung und Offboarding.

Inwiefern verändert sich dadurch die HR-Arbeit?

Es kommt zu einer Verlagerung von der Administration hin zur Kommunikation – und das ist auch gut so. Wiederkehrende Prozesse können und sollten auto­matisiert werden, doch das persönliche Gespräch mit den Mitarbeitenden kann keine Software ersetzen. Durch die Auto­matisierung bleibt HR-Verantwortlichen mehr Zeit für die Kommunikation.

«HR-Prozesse prägen das Arbeitgeberimage. Digital Natives erwarten moderne Lösungen.»

Was empfehlen Sie einem Personal­verantwortlichen, der seine HR-Pro­zesse digitalisieren möchte?

Das tönt jetzt vielleicht etwas seltsam, aber ich würde ihm empfehlen, einen Monat Tesla zu fahren. Dieses bahnbre­chende Elektroauto hat alle Prozesse, die wir bisher vom Autofahren kannten, re­volutioniert. Wenn Sie an den Tesla herantreten, kommen automatisch die Klinken heraus. Wenn Sie einen Geschäftstermin haben, führt Sie das Auto von selbst an den richtigen Ort. Wenn eine Schwelle kommt, weiss das Fahrzeug, dass es die Bodenfreiheit erhöhen muss. Und durch das monatliche Update bleibt das Auto immer wie neu. Wenn wir dies alles ins HR übertragen können, dann freuen sich die Leute jeden Tag auf HR-Arbeit, wie ich mich auf die nächste Tesla-Fahrt freue. Für das Digitalisierungsprojekt bedeutet dies: Think simple! Es geht darum, alle Schritte so zu gestalten, dass sie einfach und lo­gisch sind. Wenn wir versuchen, die ana­loge Welt eins zu eins in die digitale zu übertragen, wird es nicht klappen.

Inwiefern profitieren die Mitarbei­tenden von digitalen HR-Prozessen?

Auch sie sparen Zeit und gewinnen Kom­fort. Ein Beispiel ist das Dokumentenma-nagement: Man verliert keine Zeit mehr damit, die richtige Vorlage zu suchen, und muss sich auch nicht mehr fragen, wo man das Dokument ablegt. Ein an­deres Beispiel ist die Spesenabrechnung, die heute mobil über das Smartphone abgewickelt werden kann: Die Belege können gleich vor Ort fotografiert wer- den und werden dann automatisch der entsprechenden Geschäftsreise zugeord­net. Auch die Arbeitszeiterfassung lässt sich per Handy erledigen. Gerade jüngere Arbeitnehmer erwarten solche modernen Lösungen vielfach vom Arbeitgeber, weil sie im Privatleben auch mobile Lösungen nutzen.  

Die IT-Infrastruktur im HR-Bereich prägt also auch das Arbeitgeberimage?

Ja, das wird oft unterschätzt. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein neu­er Mitarbeitender am ersten Arbeitstag sagt: «Was soll denn das, wieso muss ich Berge von Papier ausfüllen?» Wenn Sie der Erwartungshaltung der Digital Na­tives als Arbeitgeber nicht gerecht wer­den, kann es passieren, dass mühsam rekrutierte Mitarbeitende rasch wieder abspringen. HR ist die Visitenkarte des Unternehmens. Das wird immer mehr Unternehmen bewusst und deshalb stehen mittlerweile viele Onboarding-Prozesse online zur Verfügung. Manche starten diesen Prozess bereits Monate vor dem Eintritt, damit neue Mitarbeitende spüren, dass sie sich bei einer modernen Firma beworben haben.

«Die Rekrutierung wird mobiler und emotionaler. Recruiting-Software orientiert sich im Moment stark an Partnerportalen.»

Welche Branchen sind in dieser Hinsicht denn am innovativsten?

Ein starkes Bedürfnis nach Veränderung beobachten wir im Gesundheitswesen, in der Industrie und in der Versicherungs­branche. Wir stellen immer wieder mit Staunen fest, dass Banken oft sehr veral­tete Prozesse und einen gewaltigen Nach­holbedarf haben. Hingegen bewegt sich bei den Behörden, wo man vielleicht eher das Gegenteil erwarten würde, zurzeit ei­niges. Auch KMU und Familienunterneh­men sind erstaunlich innovativ.

E-Recruiting gehört heute bei grös­seren Unternehmen zum Standard. Welche Entwicklungen beobachten Sie in diesem Bereich momentan?

Im Bereich E-Recruiting findet eine starke Verschmelzung mit Social Media statt. Interessant ist, dass sich Hersteller von Recruiting-Software stark an Partnerportalen orientieren. Es gibt ja auch grosse Parallelen zwischen der Partner- und der Stellensuche: beides ist eine Art Bewer­bung und beides steuert auf eine Be­ziehung hin. Vielleicht funktioniert das Matching zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bald so ähnlich wie auf der Dating-App Tinder. Recruiting wird immermobiler und zugleich auch emotionaler. Letzteres zeigt sich etwa bei den Bewer­bungsunterlagen: Neuerdings werden Bewerber aufgefordert, ein Video über sich zu drehen. Hier wird in den nächsten Jahren noch einiges passieren.

Lesen Sie das komplette Interview in der April-Ausgabe von personalSCHWEIZ

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Zur Person

Marek Gerard Dutkiewicz ist Mit­begründer und Geschäftsführer von HR Campus. Er ist 1981 von Polen in die Schweiz ausgewandert, startete seine Karriere als Tankwart und stieg dann in die IT-Branche ein. Die 1998 gegründe­te HR Campus AG mit Sitz in Dübendorf beschäftigt rund 95 festangestellte Mit­arbeitende. Das Unternehmen ist auf die ganzheitliche Beratung im Human Capital Management (HCM) spezialisiert und zählt über 800 Unternehmen in der Schweiz und in Liechtenstein zu seinen Kunden. HR Campus ist SAP Gold Part­ner und bietet unter anderem Software und Services in den Bereichen Recruiting, Talentmanagement, Payroll und Dokumentenmanagement an.

www.hr-campus.ch

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