Experten-Interviews

Oktober 2024

Betriebliches Gesundheitsmanagement: «Dialog mit den Beschäftigten als Schlüssel»

Die Arbeitswelt ist hektischer geworden. Die Folgen sind Stress und Überlastung. Um Mitarbeitende davor zu schützen, setzen verantwortungsvolle Unternehmen auf ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Diesen Ansatz verfolgt z.B. Bell Schweiz. Wir sprechen mit Daniel Strub, dem BGM-Verantwortlichen beim bekannten Fleischverarbeiter, über wirkungsvolle BGM-Massnahmen, psychische Gesundheit und den Umgang mit Stress am Arbeitsplatz. Wie er den kommunikativen Spagat zwischen Gesundheitsförderung und Bevormundung meistert, und warum der Dialog mit den Beschäftigten der Schlüssel zum Erfolg ist, verrät er im Titelinterview.

Von: Dave Husi   Teilen  

Dave Husi

Dave Husi ist Chefredaktor von personalSCHWEIZ.
Zuvor hat er bei einem Medien-Startup Gründerluft geschnuppert und war bei einem Fachverlag im Medizinbereich journalistisch tätig.

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Herr Strub, Sie sind für das BGM in Ihrem Unternehmen verantwortlich. Auf welche drei Dinge achten Sie persönlich bei der Arbeit, um gesund zu bleiben?
Für mich persönlich ist es besser, so wenig wie möglich im Homeoffice zu arbeiten. Mir fällt der Wechsel zwischen Privatleben und Arbeit leichter, wenn ich in die Firma fahren kann, obwohl ich auch zu Hause ideale Arbeitsbedingungen habe. Ich mache auch regelmässig Pausen, nehme mir genügend Zeit für das Mittagessen, und um den Kopf «herunterzufahren». Mir hilft es auch, wenn ich mich mit meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen austausche. Ausserdem profitiere von der Möglichkeit, den Arbeitsplatz meinen Bedürfnissen entsprechend einrichten zu können – inklusive Stehpult und Headset. Rund um die Verbesserung der Gesundheit am Arbeitsplatz werden zahlreiche Begriffe teils synonym verwendet.

Worin liegt der Unterschied zwischen betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM), betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) und Corporate Health?
Im BGM geht es darum, alle betrieblichen Prozesse in Bezug auf die Erhaltung und Förderung der Gesundheit, die Motivation und das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden zu lenken. BGF ist ein Teil des BGM. Das Ziel der BGF ist es, Ressourcen unserer Mitarbeitenden zu stärken, um ihre Gesundheit und damit die Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten. Corporate Health bezeichnet eine gesunde Unternehmenskultur und die Massnahmen, die für die Gesundheitsförderung von unseren Mitarbeitenden im Unternehmen getroffen werden.

Welchen Stellenwert hat BGM in Ihrem Unternehmen?
Das BGM hat bei uns einen hohen Stellenwert, ist aber sicher noch ausbaufähig. Die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden sind für uns von grosser Bedeutung, und wir sind davon überzeugt, dass eine gesunde und motivierte Belegschaft nicht nur zu einem positiven Arbeitsumfeld beiträgt, sondern auch langfristig den Unternehmenserfolg sichert. Wir haben verschiedene Massnahmen und Programme im Rahmen des BGM implementiert, um die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden zu fördern. Dazu gehören unter anderem ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, Trainings im Absenzen-Management und flexible Arbeitszeitmodelle. Darüber hinaus legen wir grossen Wert auf die Kommunikation und Partizipation der Mitarbeitenden im Bereich des BGM. Wir ermutigen sie, ihre Anliegen und Ideen einzubringen, und nehmen ihre Feedbacks ernst, um die Massnahmen kontinuierlich zu verbessern und an ihre Bedürfnisse anzupassen.

Inwiefern ist BGM Teil Ihrer Unternehmenskultur? 
Bei uns stellen der BGM-Steuerungsausschuss und die BGM-Arbeitsgruppe die Umsetzung des BGM gemeinsam mit den Führungsverantwortlichen sicher. Das BGM ist in unseren Prozessen verankert. Unsere Führungsverantwortlichen kennen und nutzen das BGM für ihre Mitarbeitenden.

Bell Schweiz ist seit 2016 ein Friendly-Workspace-Labelbetrieb. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Mein Team und ich sind stolz, dass wir diese Kriterien erfüllen, die von unabhängigen Experten festgelegt wurden. Es ist eine Bestätigung, dass wir im Umgang mit unseren Mitarbeitenden auf dem richtigen Weg sind. Das Friendly-Workspace- Label zeigt, dass wir uns aktiv für das Wohl unserer Mitarbeitenden einsetzen und eine positive Arbeitsumgebung haben. Es signalisiert potenziellen Mitarbeitenden, dass Bell Schweiz ein attraktiver Arbeitgeber ist, der viel Wert auf das Wohlbefinden seiner Mitarbeitenden legt. Wir beweisen damit auch, dass ein klassischer Handwerksbetrieb viel für die Gesundheit der Mitarbeitenden tun kann.

Wo sehen Sie die grössten «Hebel» bei der Gesundheitsförderung in Ihrem Betrieb?
Vor allem in der Führungskultur und beim Mitarbeiterengagement. Eine Führungskultur, die Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeitenden aktiv fördert, ist ein entscheidender Hebel. Wenn die Führungskräfte selbst mit gutem Beispiel vorangehen und Massnahmen zur Gesundheitsförderung unterstützen, strahlt das auf die gesamte Belegschaft aus. Ein hoher Grad an Mitarbeiterengagement und -beteiligung bei der Gestaltung von Gesundheitsangeboten steigert deren Akzeptanz und Wirksamkeit. Ein wichtiger Punkt ist auch die Arbeitsplatzgestaltung und -organisation. Die Optimierung von Arbeitsplätzen hinsichtlich Ergonomie, Beleuchtung, Raumklima usw. kann die körperliche und mentale Belastung deutlich reduzieren. Flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice-Optionen, wo das möglich ist, sowie Möglichkeiten zur Erholung und zur Regeneration am Arbeitsplatz tragen ebenfalls zur Gesundheitsförderung bei.

Ein Grossteil Ihrer Belegschaft arbeitet in der Produktion. Ergonomie spielt dort eine zentrale Rolle. Mit welchen Tools unterstützen Sie Ihre Mitarbeitenden in der Fleischverarbeitung?
Mit dem Präventionsmanagement sowie mit Präventionsmassnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Rahmenbedingungen. Dazu laufen konkrete Projekte wie «Beratungen zur Ergonomie am Arbeitsplatz» und die Ausbildung von internen «Ergonomie Champions».

Seit Kurzem kommt in der Produktion ein futuristisch anmutendes Exoskelett zum Einsatz. Wie haben Ihre Mitarbeitenden diese Neuerung aufgenommen?
Sehr unterschiedlich. Einige haben das Gefühl, es hilft, andere fühlen sich damit nicht wohl. Dass nicht alle Neuerungen sofort bei allen gut ankommen, ist nicht ungewöhnlich.

Inwieweit unterscheiden sich die BGF-Massnahmen für Personen, die in der Verwaltung oder in der Logistik arbeiten?
Im Bereich Verwaltung kann einiges mit Online-Informationen umgesetzt werden, z.B. den Ekas-Boxen, sei es mit Videos oder Informationsblättern. Was allerdings auch sehr gut ankommt, ist der direkte Kontakt zum Spezialisten der Arbeitsplatzergonomie. In der Produktion ist alles etwas grösser, lauter und umtriebiger als im Büro. Deshalb geht es hier meist um Vorbild sein, ums Vorzeigen und Nachmachen. Dafür sind die eingesetzten Hilfsmittel, wie z.B. Kistenelevatoren oder Hebebühnen, teurer. Die Kommunikation ist nicht in jedem Fall online möglich, sondern läuft via Aushänge, Informationstafeln, z.B. an den Verpackungslinien.

ZUR PERSON
Daniel Strub (58), verheiratet und Vater von zwei Kindern, ist im Frühjahr 1981 in die damalige Bell AG, heutige Bell Schweiz AG eingetreten. Nach der Ausbildung zum Metzger und mehreren Jahren im Verkauf erfolgten der Wechsel ins PPS und die Weiterbildung zum eidg. Betriebsfachmann. Seit 1994 ist er im HR als Leiter Payroll & HR Services tätig und hat parallel dazu Weiterbildungen zum eidg. HR-Fachmann und Payroll-Experten abgeschlossen. Seit 2016 ist er aktiv im BGM-Team und verantwortlich für den Kennzahlenbereich. Seine Hobbys sind Sport allgemein wie Skifahren, Volley- und Faustball.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Lesen Sie das ganze Gespräch in der aktuellen Printausgabe.

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