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Schweizer HR-Barometer: Beeinflusst Digitalisierung die Arbeitszufriedenheit?

Ergebnisse der ETH Zürich und der Universität Luzern zeigen, dass mit steigendem Digitalisierungsgrad in Unternehmen die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden sinkt. Welche Rolle dabei wahrgenommene Chancen und Risiken der Digitalisierung spielen, beleuchtet der vorliegende Artikel.

Von: Anja Feierabend, Lena Schneider   Teilen  

Dr. Anja Feierabend

Dr. Anja Feierabend ist Oberassistentin und Dozentin am Center für Human Resource Management der Universität Luzern und Projektleiterin des SNF Infrastrukturprojekts Schweizer HR-Barometer. Zudem ist sie Mitgründerin und Geschäftsführerin des Start-ups HR ConScience GmbH.

Lena Schneider

Lena Schneider ist Psychologin, M.Sc. und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie der ETH Zürich.

Schweizer HR-Barometer

Die Coronapandemie hat den Digitalisierungsfortschritt in vielen Schweizer Unternehmen beschleunigt. Damit sind immer mehr Arbeitnehmende von Veränderungen in ihrem Arbeitsalltag betroffen. So werden beispielsweise Meetings vermehrt in den virtuellen Raum verlagert, oder die Rekrutierung neuer Mitarbeitender erfolgt über einen Chatbot, gesteuert durch künstliche Intelligenz. Solche Veränderungen beeinflussen die Arbeitszufriedenheit und führen zu unterschiedlich wahrgenommenen Chancen und Risiken aus Sicht der Beschäftigten.

Digitalisierung und Arbeitszufriedenheit
Die bisherige Befundlage zur Rolle der Digitalisierung für zentrale Arbeitseinstellungen und Verhaltensabsichten ist gemischt und reicht von der Betrachtung der Digitalisierung als des zentralen Schlüssels zur grösseren Arbeitszufriedenheit bis hin zu einer Entwicklung mit negativen Konsequenzen auf Bereiche wie Work-Life-Balance und Datenschutz.

Im Rahmen der Ausgabe 2020 des Schweizer HR-Barometers, eines gemeinsamen Projekts der ETH Zürich und der Universitäten Luzern und Zürich, ergaben die durchgeführten Analysen, dass ein höherer Digitalisierungsgrad von Unternehmen in der Schweiz mit niedrigerer Arbeitszufriedenheit bei den Mitarbeitenden einhergeht. Die Arbeitszufriedenheit hat neben Zusammenhängen mit Gesundheit und Wohlbefinden beispielsweise auch Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität und Kündigungsabsichten der Beschäftigten. Daher ist es auch im Interesse von Unternehmen, die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern. Insgesamt ist die Arbeitszufriedenheit bei Beschäftigten in der Schweiz recht hoch: 82% der Befragten geben gemäss dem Schweizer HR-Barometer 2020 an, eher bis voll und ganz mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein. 12% waren nur teilweise zufrieden und
ca. 6% waren eher bis ganz unzufrieden. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass dabei ein stärkerer Digitalisierungsgrad der eigenen Arbeit mit geringerer Arbeitszufriedenheit einhergeht. Der Digitalisierungsgrad erfasste dabei das Ausmass des Einsatzes neuer Technologien bei der Arbeit (z.B. Nutzung digitaler Kommunikationsmittel, künstlicher Intelligenz, systematisches Sammeln und Analysieren von Daten).

Chancen und Risiken der Digitalisierung
Die befragten Arbeitnehmenden zeigen sich gemäss der Schweizer HR-Barometer-Erhebung generell offen gegenüber neuen Technologien in ihren Unternehmen. Digitalisierung wird dabei von 82% eher oder voll und ganz als Chance gesehen. Einen genaueren Blick auf die Art der wahrgenommenen Chancen, aber auch der etwaigen Risiken und Gefahren für die eigene Arbeit erlaubte die Kategorisierung der individuellen Antworten. Dabei wurden insgesamt am meisten die effizienteren Prozesse und Abläufe als Chance wahrgenommen (26,5%), welche mithilfe digitaler Mittel automatisiert und vereinfacht werden können. Daneben war eine erhöhte Flexibilität durch Möglichkeiten zu mobiler Arbeit bzw. Homeoffice (14,5%) bei reduzierter Pendlerzeit und weniger Reisetätigkeiten die zweithäufigste Nennung. Digitale Kommunikation und Zusammenarbeit wurden allgemein am dritthäufigsten als Chance betrachtet (12%), siehe Grafik.

Die grössten Gefahren lauerten laut der Wahrnehmung der Arbeitnehmenden im Bereich des Hackings, Datendiebstahls und der Cybersecurity (13,9%), und der Überwachung durch Unternehmen und Staat (13,2%). Am dritthäufigsten wurde die grosse Abhängigkeit von Computersystemen und dem Internet genannt (8,1%).

Werden die Befragten gemäss ihrer Arbeitszufriedenheit in eine Gruppe von eher Zufriedenen (63,5%) und eine Gruppe von tendenziell eher Unzufriedenen (36,5%) unterteilt, lassen sich gewisse Unterschiede in der Priorisierung der wahrgenommenen Chancen und Risiken feststellen: Während die oben beschriebenen drei am häufigsten wahrgenommenen Risiken sich bei beiden Gruppen zeigten, zählten für unzufriedene Mitarbeitende auch der mangelnde Raum für Individualität, Kreativität und Menschlichkeit sowie der drohende Verlust von Fertigkeiten und Wissen durch die voranschreitende Digitalisierung zu den zehn am häufigsten genannten Gefahren. Zufriedene Mitarbeitende nannten diese Art des Risikos ebenfalls, jedoch weniger häufig. Dagegen sahen sie den etwaigen Kontrollverlust mit dem technologisierten System als «Black Box» und die riesige Menge an produzierten Daten bei gleichzeitig teils mangelnder Datenqualität als Teil der zehn grössten Gefahren.

Auch bei den grösstmöglichen Chancen stimmte die Priorisierung der zufriedenen und der unzufriedenen Arbeitnehmenden nicht in allen Punkten überein: So war für die Unzufriedenen die Möglichkeit der Datenanalysen und des Controllings dank der Digitalisierung wichtiger als den Zufriedenen und wurde in Relation häufiger genannt. Den Zufriedenen lag besonders die Möglichkeit zu mehr Transparenz bei Prozessen und dadurch erhöhter Kontrolle mehr am Herzen als den Unzufriedenen.

Fazit
Ein hoher Digitalisierungsgrad am Arbeitsplatz geht einher mit einer geringeren Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten. Tendenziell eher unzufriedene Beschäftigte sehen die Gefahren eher bei einer Einschränkung und einem Verlust von Kreativität, Individualität und Menschlichkeit sowie verschwindendem Wissen und Fertigkeiten. Tendenziell eher zufriedene Beschäftigte sehen die Gefahren eher bei der fehlenden Kontrolle über das System und der Datenflut. Alle Beschäftigten sehen in der Digitalisierung aber auch Chancen.

Es liegt bei den Unternehmen und besonders dem Personalmanagement, sich diesbezüglich zu sensibilisieren und insbesondere auch auf die wahrgenommenen Gefahren aus Sicht der Mitarbeitenden einzugehen und diese ernst zu nehmen. Als Massnahmen können beispielsweise Befragungen der Arbeitnehmenden vor und nach der Implementierung neuer digitaler Techniken dienen. Sollte dabei eine negative Entwicklung der Arbeitszufriedenheit festgestellt werden, gilt es die Implementierungen zu adjustieren. Auch eine ausreichende Vorbereitung auf digitalisierungsbezogene Veränderung und eine Begleitung durch den Prozess sind zentrale Schritte, die unternommen werden können, um den wahrgenommenen Gefahren der Digitalisierung entgegenzusteuern. Dazu zählt auch die Abdeckung eines steigenden Bedarfs an Aus- und Weiterbildungen im Umgang mit neuen Technologien und Tools. Eine feinfühlige Begleitung des Digitalisierungsprozesses trägt dazu bei, die vielen Chancen der Digitalisierung zum Tragen zu bringen und eine Verschlechterung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden zu vermeiden.

Take Home Messages

  • Die fortschreitende Digitalisierung ist auch mit Risiken verbunden und kann u.a. negative Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden haben.
  • Es braucht aufmerksame Führungskräfte und ein sensibilisiertes Personalmanagement, welche die Digitalisierung nicht um jeden Preis vorantreiben, sondern ein offenes Ohr für ihre Mitarbeitenden haben und deren Bedürfnisse berücksichtigen. Gezielte Massnahmen wie Befragungen und Weiterbildungsangebote sind dabei effektive Mittel, um den Digitalisierungsprozess zu begleiten.

SCHWEIZER HR-BAROMETER
Der Schweizer HR-Barometer erfasst seit 2005 in regelmässigen Abständen, wie Arbeitnehmende in der Schweiz ihre Arbeitssituation erleben. Erhoben werden unter anderem gegenseitige Erwartungen und Angebote von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden als Bestandteil der Arbeitsbeziehung (psychologischer Vertrag), Praktiken des Human Resource Management wie Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung, Führung, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsmarktfähigkeit und Karriereorientierung. Die Grundlage der aktuellen Ausgabe bildet eine Befragung von 1995 Angestellten, basierend auf dem Stichprobenregister des Bundesamts für Statistik. Die Befragung fand zwischen März und Mai 2020 in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz statt. Mehr Infos zum Projekt: www.hrbarometer.ch

(Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Februar 2022 von personalSCHWEIZ erschienen)

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