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Flexibel arbeiten: «Ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen»
Herr Morf, was hat sich für die Mitarbeitenden verändert, seit Raiffeisen Schweiz im August 2020 das Arbeitsmodell «FlexWork» eingeführt hat?
Homeoffice wird bei uns schon seit Jahren gefördert. FlexWork ermöglicht den Mitarbeitenden nun nochmals mehr Gestaltungsfreiraum, um ihre Arbeitszeit individuell zu gestalten. Unsere Mitarbeitenden können bis zu 80 Prozent ihrer Zeit von einem anderen Standort aus arbeiten. Natürlich soll das in Absprache mit ihren Vorgesetzten geschehen. Aber wir haben das Ganze sehr unbürokratisch geregelt. Das empfinden viele als Pluspunkt.
Warum hat sich Raiffeisen für diesen Schritt entschieden?
Nachdem im Frühsommer 2020 die erste Corona-Welle abgeebbt war, diskutierten wir, wie wir die positiven Erfahrungen aus dieser Zeit weiter nutzen können. Wir haben erlebt, was mit mobil-flexiblem Arbeiten alles möglich ist. Unsere Mitarbeitenden konnten sich der neuen Situation sehr schnell anpassen und von zu Hause aus produktiv werden, ohne dass die Teams den Kontakt zueinander verloren hätten. Diese Möglichkeiten wollten wir vermehrt ausschöpfen und damit ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen.
Wie zufrieden sind die Mitarbeitenden mit dem neuen Modell?
Offenbar konnten wir die Voraussetzungen für vielfältigere Arbeitsmodelle schaffen. FlexWork kommt sehr gut an, wie unsere Befragung auf der Stufe der gesamten Belegschaft von Raiffeisen Schweiz bei über 2000 Personen jüngst gezeigt hat. Für knapp 90 Prozent der Mitarbeitenden erhöhen wir durch FlexWork unsere Attraktivität als Arbeitgeberin deutlich. Dass das Arbeitsmodell in der Praxis funktioniert, ist also nicht eine subjektive Einschätzung.
Wie wird die Produktivität im Homeoffice eingeschätzt?
Homeoffice wird von den meisten als produktivitätssteigernd beurteilt. Für mich persönlich ist das nachvollziehbar, da spontane Störungen wegfallen und man sich besser fokussieren kann. Unsere Mitarbeitenden teilen sich in Eigenverantwortung ihren Arbeitstag so ein, dass sie ihre produktiven Zeiten nutzen. Die Umfrage liess aber auch interessante Rückschlüsse zu, wie wichtig der Austausch im Team ist. Man braucht den sozialen Kontakt, den persönlichen Austausch und eben auch das spontane Treffen an der Kaffeemaschine. Das zeigt, dass auch künftig ein gesunder Mix wohl das Optimum ist.
Wie wird die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben beurteilt?
Klar, diese wird mit unserem FlexWork-Konzept bei den meisten Mitarbeitenden erhöht. Gemäss Umfrage sehen darin übrigens über 80 Prozent den grössten Vorteil; sie sind überzeugt, dass FlexWork diese Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben steigert. Das zeigen nicht nur die schriftlichen Antworten der Umfrage, unser HR-Team bekommt ja auch persönliche Rückmeldungen. Die lange andauernde Homeoffice-Zeit zeigt nun auch, wie jeder und jede Einzelne diese Vereinbarkeit für sich organisiert. Selbstmanagement ist dabei eine Kernkompetenz.
80% der Arbeitszeit an einem frei wählbaren Ort: Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch für die Führungskräfte?
Das ist ein sehr wichtiges Thema. Für viele Führungskräfte stellt der verminderte direkte Kontakt eine Herausforderung dar. Beispielsweise müssen Vorgesetzte viel gezielter in die Beziehung zu ihren Mitarbeitenden investieren. Auch braucht es klare Erwartungen und Verantwortlichkeiten, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Ich muss aber auch sagen, dass Teams sehr kreativ sind, wenn es darum geht, für sich optimale Lösungen für die Zusammenarbeit zu finden – dazu braucht es weder Chefin noch Chef.
Braucht es in diesem Arbeitsmodell ein neues Führungsverständnis?
Das Vertrauen erhält in der Führung auf Distanz ein höheres Gewicht. Zudem steht das gemeinsame Erreichen von Ergebnissen im Vordergrund, nicht das Absitzen von Zeitfenstern. Dies entspricht sehr unserer Kultur und unseren Zusammenarbeitsprinzipien, die auf Vertrauen, Teamwork und Entwicklung bauen.
Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus? Was funktioniert gut und wo braucht es noch Verbesserungen?
Die erste Zwischenbilanz nach Einführung von FlexWork sieht sehr positiv aus. Wegen der zweiten Corona-Welle konnten wir das Modell allerdings noch nicht über längere Zeiträume leben. Wir streben hier eine hybride Strategie zwischen physischer und mobil-flexibler Arbeit an. Was mich besonders freut: Das Modell passt auf die Bedürfnisse der Belegschaft, und wie wir im Recruiting bereits feststellen dürfen, kann Raiffeisen sich als sehr moderne Arbeitgeberin positionieren.
Zur Person
Daniel Morf hat einen Bachelor in Ökonomie, einen Master of Advanced Studies in Financial Consulting und verschiedene Ausbildungsschritte zum Thema Leadership und Personalentwicklung absolviert. Bevor er Personalchef von Raiffeisen Schweiz wurde, leitete er die Personalentwicklung der drittgrössten Bankengruppe der Schweiz. Er ist verheiratet, schätzt den Austausch mit Menschen auch privat und pflegt einen Kreis von Freunden aus unterschiedlichsten Bereichen. Während Corona hat der leidenschaftliche Golfer und ausgebildete Dirigent seine neue Liebe zur Bergwelt entdeckt.