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Arbeitnehmende erwarten mehr: Wie die Transformation der Unternehmenskultur gelingt
Die Arbeitswelt ist im Umbruch, und zwar nicht erst, seit Gen Z und Millennials die Bühne betreten haben. Diese Entwicklung hat vor vielen Jahren begonnen und zeigt sich nun immer deutlicher. Früher sind Unternehmen einen impliziten Vertrag mit ihren Mitarbeitenden eingegangen, die ihnen im Tausch für ihre Arbeitskraft und -zeit eine bis zur Rente sichere Anstellung geboten haben. Die Hierarchien waren klar, der erwartete Wissenshorizont starr und viele Branchen während Generationen erfolgreich. Dieser Vertrag existiert nicht mehr. An seine Stelle ist eine lose Abmachung mit sehr viel kürzerem Verfallsdatum getreten. In einer Welt, in der ihnen kein Unternehmen mehr die frühere Sicherheit geben kann, nehmen sich Mitarbeitende ganz selbstverständlich das Recht auf höhere Selbstbestimmung und stellen – ebenso selbstverständlich – ihre eigenen Forderungen.
Jüngere Arbeitsnehmende zwischen 18 und 40 Jahren sehen sich vermehrt mit finanziellen Sorgen und Zukunftsängsten konfrontiert. Sie beklagen den Zustand, in dem die Älteren ihnen die Welt hinterlassen haben, und fordern deshalb auch am Arbeitsplatz Sinnhaftigkeit ein. Damit meinen sie ein positives Bild der Zukunft, in dem sie die Gesellschaft und sich selbst wiederfinden können. Sie fragen sich, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, und streben nach einem nachhaltigen Ziel in ihrem Tun. Unternehmen, die das verstehen, die ihren Mitarbeitenden etwas anbieten können, das über Lohn und Erfolg hinausgeht, und die dieses Streben aktiv unterstützen, bieten Identifikationsfläche und sind als Arbeitgeber attraktiv.
«War for talent» 2.0
Wenn auch schon über 25 Jahre alt, so hat dieses geflügelte Wort doch nichts an Aktualität eingebüsst. Im Gegenteil, der Kampf um die Talente hat sich noch intensiviert: Einerseits gibt es schlicht zu wenig qualifizierte Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Andererseits gehen die freien Arbeitskräfte mit einer Erwartungshaltung in Verhandlungen, die Personalverantwortliche zuweilen vor unüberwindbare Herausforderungen stellt. Neben überzogenen Forderungen in Sachen Entlöhnung und Arbeitsbedingungen geht es oft auch um (zu) unterschiedliche Vorstellungen von Sinnhaftigkeit. Ein Teil dieser Herausforderungen kann durch dynamischere, agilere Rekrutierungspraktiken gemeistert werden: etwa, indem Personalverantwortliche den Begriff der Arbeitskraft breiter fassen, gezielt und isoliert nach Fähigkeiten, nicht nur nach Persönlichkeiten suchen. Viel allgemeiner geht es aber auch um die Frage: Wie schaffen wir es, gut ausgebildete Menschen überhaupt ins Unternehmen – und breiter: in die Schweiz – zu locken? Das ist eine systemische Herausforderung, der sich Unternehmen stellen müssen – aber auch die Gesellschaft als Ganzes.
Unstrittig ist: Gehalt ist immer noch ein elementarer Faktor, in der Schweiz jedoch bei Weitem nicht der einzige. Menschen kommen wegen eines guten Gehalts, aber sie bleiben aus anderen Gründen. Echte und klar kommunizierte Karrierechancen sind einer dieser Gründe. Damit dieser Grund wirken kann, muss er aber authentisch sein – auch etwas, womit viele Unternehmen immer noch hadern.
Das brennende Haus
Bequemlichkeit, Abneigung gegen Veränderungen oder Risikoaversion verleiten Unternehmen und HR-Verantwortliche immer noch zu «business as usual». Diese Praxis kann funktionieren, solange das Unternehmen gewisse Erfolge verzeichnet, solange noch genügend Personal vorhanden ist, um den Status quo zu halten. Ist dies nicht mehr der Fall, verstehen die meisten Unternehmen ziemlich bald, dass sie etwas ändern müssen, um eine drohende Katastrophe abzuwenden. In dieser bedrohlichen, aber auch grosses Potenzial bergenden Situation befinden sich viele Schweizer Unternehmen heute. Was also tun?
Ein Feuerlöscher gegen den Arbeitskräftemangel heisst: «mehr Inklusion und Diversität wagen». Diese Forderung ist weder politisch noch ideologisch gemeint, sondern in Zeiten akuter Gefahr eine nüchterne Notwendigkeit. Unternehmen, die sich dafür öffnen, werden sehr schnell feststellen, wie hoch der Anteil an qualifizierten Arbeitskräften ist, die es bis anhin aufgrund von Vorurteilen, Unsicherheiten oder althergebrachten Rekrutierungspraktiken nicht in die engere Auswahl für eine Position geschafft haben. Auch deshalb sind Talent- und HR-Prozesse so wichtig: Wenn Personalverantwortliche immer dieselben Profile suchen und einladen, werden auch immer nur dieselben Menschen im Unternehmen landen. Geht es aber um eine nachhaltige Verbesserung, sind tiefgreifendere Eingriffe in einen immateriellen Aspekt des Unternehmens notwendig – seine Kultur.
Der erste Schritt: die Bewertung
Wollen Unternehmen ihre eigene Kultur verstehen, müssen sie sich Fragen stellen – und vor allem: die Antworten ertragen. Es kommt darauf an, die Bewertung der Kultur ehrlich und ohne Scheuklappen durchzuführen. Selbstbeweihräucherung gefällt vielleicht dem Management – als Grundlage für die Transformation der eigenen Kultur taugt sie nicht.
Ausgangspunkt jeglicher Kulturveränderung muss die Zieldefinition sein: Wohin will sich das Unternehmen langfristig entwickeln? Davon abgeleitet – und in schonungsloser Offenheit – müssen dann fundamentale Fragen beantwortet werden wie: Was sollen oder müssen die Merkmale der Unternehmenskultur sein? Soll die Struktur des Unternehmens starr oder dynamisch sein? Agil oder schwerfällig? Hierarchisch oder fluid? Welchen Führungsstil brauchen wir, und wodurch sollen sich die Führungskräfte auszeichnen? Wie sollen Unternehmensziele kommuniziert werden? Wie will das Unternehmen mit Fehlern von Mitarbeitenden umgehen? Welche Narrative sollen dominieren? Wie soll der Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden künftig sein?
Um ein multidimensionales und aussagekräftiges Bild zu erhalten, sollten Unternehmen sich folgende Facetten ihrer Kultur genauer ansehen: Entscheidungen, Prozesse und Systeme, Strukturen und informelle Netzwerke, Rituale und Geschichten, Symbole, Führung. Dies sollte sie weiterbringen auf dem Weg zu einer Transformation ihrer Kultur. Was sie jetzt noch brauchen: Mut und Entschlossenheit. Angesichts der grossen Herausforderungen und der ungewissen Zukunft, die ihnen bevorsteht, sollten diese zwei aber keine Schwierigkeit darstellen.
EMPFEHLUNGEN: SECHS HEBEL FÜR DEN WANDEL
Unternehmen, die ihre Kultur transformieren möchten, um zukunfts- und wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten an diesen sechs Hebeln ansetzen:
- Entscheidungen
- Prozesse und Systeme
- Strukturen und informelle Netzwerke
- Rituale und Geschichten
- Symbole
- Führung
(Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Oktober 2023 von personalSCHWEIZ erschienen)
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